„Volle 60 Minuten“ im Februar

„Volle 60 Minuten“ im Februar

„Volle 60 Minuten“ im Februar

Februar 2, 2024| Marc Fasthoff

Direkt nach dem DHB Schiedsrichter Winterlehrgang wieder ein Highlight für Euch in unserer Vortragsreihe „Volle 60 Minuten“.
Am Montag, 05. Februar um 19:00h wird der DHB-Schiedsrichterlehrwart Kay Holm bei uns zu Gast sein.
In unserer 14. Ausgabe ist das Thema natürlich die aktuelle Entwicklung der neuen Regeln und ihre Stolpersteine.
Fragen von Euch wird Kay wie immer gerne beantworten.
 
📆Montag, 05. Februar
 
⏰19:00 bis 20:00 Uhr
 

„Ich brenne genauso wie die Spieler darauf, dass es endlich losgeht.“ – Interview mit Dominik Klein

„Ich brenne genauso wie die Spieler darauf, dass es endlich losgeht.“ – Interview mit Dominik Klein

„Ich brenne genauso wie die Spieler darauf, dass es endlich losgeht.“ – Interview mit Dominik Klein

Januar 10, 2024| Marc Fasthoff

TV-Experte, EM-Botschafter, Handball-Fan: Dominik Klein hat bei der Heim-Europameisterschaft nicht nur eine Rolle. Vor dem Eröffnungsspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen die Schweiz spricht der Weltmeister von 2007 über seine Eindrücke von den Testspielen, seine eigenen Aufgaben und die Hoffnung, die er mit dem Turnier für die Sportart verbindet …

Fotoshooting mit den Botschaftern Isabel KLEIN, Dominik KLEIN und Niklas KAUL für den Standort Muenchen der EHF EURO 2024.
Quelle: DHB/Steffen Eirich

Dominik, wie sieht du die Nationalmannschaft für die Europameisterschaft im eigenen Land aufgestellt?

Mein Optimismus ist durch den „Tag des Handballs“ in München zurückgekommen und wurde durch die beiden Auftritte gegen Portugal noch einmal gestärkt. Der schnelle Ball und die gute Abwehrarbeit mit unserem „Stammpersonal“ sieht schon wirklich richtig gut aus. Jetzt wird es darum gehen, die „zweite Garde“ – die Spieler, die in die Bresche springen, wenn sie gebraucht werden – zu stabilisieren.

Bei den Testspielen gegen Portugal war „Konstanz“ das magische Wort und das ist genau der Punkt. Man hat in Flensburg und Kiel bereits die Entwicklung gesehen und ich drücke die Daumen, dass diese Entwicklung in der Gruppenphase voranschreitet, bis der erste echte Gradmesser gegen eine große Handballnation wie Frankreich ansteht. Danach werden wir wissen, wo es hingehen kann.

Was bedeutet das mit Blick auf das Abschneiden?

Alle sprechen davon, kein Ziel ausrufen zu wollen, sondern Träume zu wagen. Wenn es gelingt, die Punkte aus der Vorrunde mitzunehmen, kann es ganz weit gehen – gerade mit der Erinnerung an eine LaOla-Welle von 50.000 Zuschauern im Rücken und einer entfesselten Stimmung. Dann kann man auch gegen die schwierigen Gegner in der Hauptrunde bestehen und wirklich um den ganz großen Traum zu kämpfen.

Wer wird für dich der Schlüsselspieler im deutschen Team sein, damit es ein erfolgreiches Turnier wird?

Will man die Schlüsselspieler tatsächlich benennen oder sagt man nicht lieber, der Star ist die Mannschaft?

Selbst, wenn die Mannschaft der Star ist: Auf wen wird es besonders ankommen?

Für mich ist es die Kombination von Juri Knorr, Johannes Golla und Andreas Wolff. Das sind für die drei Eckpfeiler; die Schlüsselspieler, die ihre Nebenleute in der Defensive anführen oder offensiv in Szene setzen.

In Renars Uscins, David Späth, Nils Lichtlein und Justus Fischer sind vier U21-Weltmeister dabei, hinzu kommt Debütant Martin Hanne. Hältst du die Nominierung der jungen Spieler für richtig?

Diese Jungs haben sich ihre Nominierung darüber verdient, dass sie ihre Leistung in der Bundesliga gezeigt haben und nicht, weil sie Junioren-Weltmeister geworden sind. Und jeder hat auf seine Art auch in der Nationalmannschaft schon aufblitzen lassen, was er drauf hat. David Späth beim Tag des Handballs: Emotionaler kann man im Nationaltor nicht stehen. Oder Justus Fischer, der jedem Ball mit einem unbedingten Einsatzwillen hinterher hechtet. Diese Qualitäten berechtigen sie – unabhängig vom Alter – in der Nationalmannschaft dabei zu sein. Es spricht vielleicht niemand gerne von einer Hierarchie, aber die Rollenverteilung ist klar: Die Jungs stellen keine Ansprüche auf Spielzeit, aber werden in jeder Minute, die sie reinkommen dürfen, alles für den mannschaftlichen Erfolg geben!

Wie hast du die Stimmung in der Mannschaft erlebt?

Lächelnd und locker, aber zugleich mit dem Mindset, die Tests schon als EM-Spiel zu sehen – und das fand ich beeindruckend. Sowohl Erik Wudtke als auch Alfred Gislason haben gesagt, dass sie auf Sieg gehen wollen, weil sie eine Drucksituation haben wollen, um diese Mentalität nicht erst beim Auftaktspiel suchen zu müssen. Das ist aus meiner Sicht enorm wichtig gewesen, denn in diesem ersten Spiel gegen die Schweiz brauchen wir von Beginn an ein Feuer. In so einem wichtigen Spiel gibt es keine Möglichkeit, erst einmal zu gucken, wie es läuft. Ich bin aber sicher, dass die Mannschaft von Beginn an im richtigen Modus sein wird.

Weg von der deutschen Mannschaft und kurz zu dir: Wie sehr fieberst du dem ersten Anwurf entgegen?

Ich brenne genauso wie die Spieler darauf, dass es endlich losgeht. Ich spüre so eine unglaubliche Vorfreude auf dieses Turnier, das ist extremer als sonst. Ich habe durch unser Organisationskomitee in München, in dem ich als Vertreter des bayrischen Handballverbands saß, im Vorfeld schon deutlich mehr Einblicke bekommen und weiß, was alles dahintersteckt. Jetzt wollen wir einfach alle, dass es endlich losgeht. Die Hallen sind super besucht, wir haben klasse Werbung gemacht und ich freue mich einfach!

Wie wird dein Weg während der Europameisterschaft aussehen?

Für mich fängt es in Düsseldorf bei der Radioübertragung an. Es ist ein ZDF-Spieltag und ich darf unseren Audiostream an der Seite von erfahrenen Radiomoderatoren mitgestalten. Das ist mega spannend. Unsere Kommentatoren beschreiben das ganze Spiel im Radio, ohne, dass die Zuschauer die Bilder sehen. Es ist beeindruckend, wie schnell und präzise sie sprechen können – mal abwarten, wo ich ein bisschen Luft bekomme, um meine Expertise einzubringen. Anschließend werde ich zwei Tage meiner Botschafterrolle gerecht, wenn ich nach München in meine Heimat fahre und dort die ersten Spiele der Gruppen C und F begleite. Und am Samstag breche ich dann Richtung Berlin auf, um den deutschen Weg zu begleiten, wo wir dann am Dienstag das erste Spiel in der ARD gegen Frankreich haben werden.

Als TV-Experte in der ARD hören dir in jeder Übertragung mehrere Millionen Menschen zu. Wie gelingt es dir, die Antworten zu geben, die von dir als Experte erwartet werden?

Ich versuche, meine Meinung zu sagen und das einschränkende „Ich glaube“, wegzulassen, das man so oft in Interviews hört (lacht). Ich sage mir immer: Fang den Satz mit einem Substantiv an und spreche davon, was du siehst. Ich kenne das System von Alfred, weil ich es selbst acht Jahr als Spieler erlebt habe und habe daher einen kritischen Blick, denn ich weiß, was ich da sehen sollte. Und am Ende hoffe ich einfach euphorisch-optimistisch, eine echte Begeisterung für den Handball erleben zu dürfen. Die Einstellung, das letzte Hemd für die Nationalmannschaft geben zu wollen, wird für diese Mannschaft die Grundlage sein, um die Zuschauer in den Hallen und vor den Bildschirmen mitzureißen.

Kann das gelingen?

Ich bin fest davon überzeugt! Gegen Portugal gab es eine Szene, die mir wirklich Mut macht: Sebastian Heymann haut das Ding vorne in den Winkel, David Späth hält hinten den Ball und leitet sofort einen Gegenstoßtreffer über Johannes Golla ein. Innerhalb von 30 Sekunden haben drei Aktionen knallhart gesessen – so kann der Knoten platzen! Dieses schnelle Spiel kann die Waffe sein, welche unsere deutsche Nationalmannschaft braucht, um bei diesem Turnier von Sieg zu Sieg zu eilen.

Du hast als Spieler selbst erlebt, wie es ist, ein Heimturnier zu spielen – und sogar zu gewinnen. Wie gelingt es neben aller Begeisterung, die man entfachen möchte, mit dem Druck umzugehen, den das bedeutet?

Den meisten Druck macht man sich als Profisportler ohnehin selbst. Es wird vielmehr darum gehen, sich bewusst zu machen, welche Energie und Stärke aus dieser Unterstützung entstehen kann. Erinnerst du dich an die Szene mit Stefan Schröder, die im Film „Projekt Gold“ gezeigt wurde? Er steht vor der ganzen Mannschaft und wir sollen positiv denken, dann will unser Mentaltrainer seinen Arm nach unten drücken und er hält wie ein Baum stand. Dieses Gefühlt multipliziert mit dem Wissen, dass 50.000, 5 Millionen, 15 Millionen Menschen hinter euch stehen: Dessen sollte sich jeder Spieler bewusst sein, um das in ein Wohlgefühl, in pure Vorfreude ummünzen und davon zu profitieren.

Wie kann das gelingen?

Es ist ein individueller Weg. Jeder Spieler muss sich fragen: Wie bringe ich mich in einen guten Zustand? Der GUTE ZUSTAND kann in Großbuchstaben geschrieben werden, denn das ist das Entscheidende: Jeder muss in der Lage sein, bestmöglich zu performen, wenn das Spiel angepfiffen wird! Wie er dahin kommt – ob er Selbstgespräche in der Kabine führt oder sich mit Kopfhörern in die Halle stellt und den Jubel von 50.000 Menschen visualisiert – ist seine Entscheidung. Diesen Weg muss jeder für sich finden. Wichtig ist nur, dass er diese Vorbereitung vor dem Spiel macht und nicht erst danach denkt: Hätte ich mal … denn das wäre zu spät.

Mit der Heim-Europameisterschaft und dem Jahrzehnt des Handballs verbindet der Deutsche Handballbund unfassbar viele Hoffnung. Was versprecht ihr euch – als Bayrischer Handballverband – von diesem Turnier?

Wir hoffen, dass der Handball so präsent ist, dass wir einen Zuwachs in den Hallen haben werden. Und diese Europameisterschaft sorgt dafür, dass die Kinder und Jugendlichen, die bereits Handball spielen, ihre Stars hautnah erleben und ihre Vorbilder aus der Nationalmannschaft über hoffentlich zweieinhalb Wochen im Fernsehen sehen zu können.

Daher hoffe ich, dass jeder Vereinstrainer den Hinweis an seine Mannschaften gibt: Heute ist Handball, schaut euch doch da und da das Spiel an. Meine Frau trainiert unseren Sohn in der E-Jugend und da schreibt sie dann auch in die Whats-App-Gruppe der Eltern: Schaut mal, hier wird das Spiel der deutschen Nationalmannschaft heute übertragen.

So kann man einen Bezug herstellen und die Kinder begeistern. Ich weiß natürlich, dass die Anwurfzeiten für Kinder und Jugendliche sehr spät liegen, aber vielleicht kriegen sie es ja bei ihren Eltern durch, dass sie ausnahmsweise ein bisschen länger aufbleiben dürfen (lacht).

Können die Vereine dem erhofften Andrang an neuen Kindern denn überhaupt gerecht werden?

Es ist natürlich ein grundlegendes Problem, dass wir zu wenig Hallen und Trainer haben, da könnte jeder Verein sein Leid klagen. Dennoch ist diese Europameisterschaft eine riesige Chance für jeden Verein, sich und seine Arbeit mit einer guten Story – einem Turnier im eigenen Land – attraktiv zu machen. Es gilt, dort alles Herzblut reinzustecken, denn jedes Kind, was wir für den Handball gewinnen, zählt.

Sprich: Du hoffst einfach darauf, dass die Sportart diesen positiven Effekt mitnehmen kann?

Ich gehe fest davon aus, dass das gelingt. Mit dem Bayrischen Handballverband waren wir auf der „Road to Munich“ an über 100 Grundschulen und haben rund 10.000 Kinder aus der 3. und 4. Klasse mit dem Handball in Kontakt gebracht. Schulen und Lehrer waren begeistert – und auch der Grundschulaktionstag des Deutschen Handballbundes war ein riesiger Erfolg. Der Tag des Handballs hat auch gezeigt, was für eine Begeisterung entfacht werden kann – die Kids, die an diesem Tag in der Olympiahalle waren, haben sich einfach riesig gefreut, hautnah dabei sein zu können. Diese Begeisterung müssen wir nutzen!

Zum Abschluss: Was wünscht du dir für die kommenden zweieinhalb Wochen?

Ich wünsche mir neben all den Terminen, die ich als als Experte und Botschafter leidenschaftlich und emotional ausfüllen will, auch einige ruhigere Momente, um das Turnier genießen zu können. Da muss ich mich auch manchmal selbst bremsen, um nicht zu viel zu machen, denn ich mache das alles gerne und brenne für unsere Sportart! Ich hoffe, dass wir diese Begeisterung im ganzen Land entfachen können!

„Die Probleme sind oft unabhängig vom Niveau die gleichen“: Sportpsychologin Inga Hahn im Interview

„Die Probleme sind oft unabhängig vom Niveau die gleichen“: Sportpsychologin Inga Hahn im Interview

„Die Probleme sind oft unabhängig vom Niveau die gleichen“: Sportpsychologin Inga Hahn im Interview

Dezember 13, 2023| Marc Fasthoff

Die Halbserie der Saison 2023/2024 ist (fast) erreicht und während einige Teams sich die Tabelle zufrieden unter den Weihnachtsbaum legen würden, brennt bei dem ein oder anderen Team der metaphorische Baum. Der Aufstiegskandidat, der im Mittelfeld festhängt oder das etablierte Team, das sich plötzlich im Abstiegskampf wiederfindet: Manchmal läuft es einfach nicht. Sportpsychologin Inga Hahn, die u.a. mit dem THW Kiel zusammenarbeitet, erklärt im Interview, inwiefern sich eine Unterstützung auf mentaler Ebene lohnen könnte und in welchen Punkten es eher schwierig wäre …

Was kann ein Sportpsychologe erreichen bzw. erarbeiten?

Alles und nichts (lacht). Es kommt drauf an, wie lange man den Luxus hat, mit einer Mannschaft arbeiten zu können. Wenn es eine regelmäßige und längerfristige Zusammenarbeit ist, die vielleicht sogar vor der Saison beginnt, sodass man mit ins Trainingslager fahren und die Leute kennen lernen kann, ist das natürlich optimal – und es lässt sich viel erreichen.

Denn man kann gezielt und in Ruhe erarbeiten, wo Herausforderungen liegen, die gelöst werden sollen und gucken, was man auf Teamebene er- bzw. bearbeiten will. Und man kann mit den Spieler:innen sprechen, wer vielleicht auch individuell arbeiten will, um beispielsweise besser mit Drucksituationen oder Rückschlägen umgehen zu können, Fehler besser abzuhaken oder Konzentration und Fokus besser zu steuern.

Und wenn man diesen Luxus nicht hat?

Wenn man kurzfristig geholt wird, ist man oft die Feuerwehr. Das ist eine undankbare Ausgangslage. Man kommt erst dazu, wenn es überhaupt nicht läuft und sofort etwas passieren muss und dann ist es natürlich schwierig, weil oft viel schon im Argen liegt. Man muss möglichst schnell erkennen, wo man ansetzen will bzw. Einfluss nehmen kann – ob beispielsweise im Verhältnis zwischen Coach und Mannschaft oder im Verhältnis innerhalb des Teams oder aber in Bezug auf Themen wie beispielsweise Selbstvertrauen und Einstellung

Es ist ein komplexes Feld, in dem man schnell handeln und effektiv sein muss. Der Erfolg von psychologischer Arbeit hängt davon ab, ob die Menschen bereit sind, sich darauf einzulassen, zu lernen und sich weiterzuentwickeln – und das ist in so einer Extremsituation noch einmal schwieriger.

Eine der Situationen, in der es zu einem „Feuerwehr-Einsatz“ kommen kann, ist eine Mannschaft im Abstiegskampf, bei der nichts mehr zusammenläuft. Was sind noch Situationen, in denen die Unterstützung eines Sportpsychologen helfen könnte?

Ich arbeite schon ziemlich lange im Handball, sowohl im Leistungs- als auch im Breitensport und die Themen, mit denen Trainer:innen immer wieder auf mich zukommen, sind oft ähnlich. Sie sagen: Meine Mannschaft hat total viel Potenzial, aber wenn es Spitz auf Knopf kommt, kriegen wir das nicht auf die Platte. Oder: Bei uns reicht es einfach nicht für 60 Minuten, wir verlieren immer in der Schlussphase, was können wir tun? Oft geht es auch um Emotionsregulation, weil Mannschaften oder Spieler:innen nicht mit Rückschlägen – egal, ob individuell oder mit einer Niederlage der Mannschaft – umgehen können oder weil sie sich unglaublich viel mit Faktoren beschäftigen, die man als Team nicht beeinflussen kann.

Inwiefern?

Es gibt Spieler:innen oder Mannschaften, die sich extrem von äußeren Einflüssen ablenken lassen, was der Konzentration nicht zuträglich ist. Die Beschäftigung mit dem/der Schiedsrichter:in ist das klassische Beispiel, aber es gibt auch viele andere Faktoren. Ob Harz in einer Halle erlaubt ist oder nicht, kann ein Riesending sein. Die Kulisse kann beeindrucken. Oder Zuschauer:innen, die zu dicht am Spielfeld sitzen. Ich habe Spieler:innen erlebt, die solche Dinge total mitnehmen – und dann beschäftigen sie sich damit statt mit ihrer Aufgabe. Daran kann man natürlich arbeiten.

Inwiefern hast du das das Gefühl, dass die Bedeutung der mentalen Perspektive bzw. die Arbeit eines Sportpsychologen von Trainern bereits wertgeschätzt wird? Oder ist das gerade im mittleren Leistungsbereich ein immer noch unterschätztes Feld, bei dem viele Teams noch etwas rausholen könnten?

Im Vergleich zum Fußball, wo die Anstellung eines Sportpsychologen für Nachwuchsleistungszentren bereits in den Lizenzkriterien vorgeschrieben ist, ist der Handball noch etwas zurück. Ich hoffe, dass es in diese Richtung gehen wird, denn das ist sinnvoll. Und auch im Handball wachsen Interesse und Offenheit. Ich glaube, dass es im mittleren Leistungsbereich inzwischen oft nicht mehr an der Akzeptanz scheitert, sondern an den Finanzen. Einige Teams investieren Sponsorengeld allerdings statt in den nächsten Trikotsatz inzwischen in die Arbeit mit einem Sportpsychologen.

Aber?

Es gibt natürlich immer noch Trainer:innen, die vom älteren Schlag sind – und das meine ich gar nicht altersdiskriminierend auf das Lebensalter bezogen, sondern auf die Denkweise: „So einen Quatsch brauchen wir nicht!“ Und natürlich ist die Akzeptanz auch dann nicht gegeben, wenn es von oben, beispielsweise von der Vereinsführung, ohne Absprache „verordnet“ wird.

Wie gelingt es, Akzeptanz zu schaffen – gerade, wenn einige Spieler vielleicht auch skeptisch sind?

Das erlebe ich oft und in erster Linie ist es eine Frage der Kommunikation. Die Trainer:innen sollten es im besten Fall mit ihrem Team bzw. dem Mannschaftsrat absprechen, bevor sie einen Sportpsychologen hinzuziehen. Wenn die Mannschaft die Probleme auch sieht und die Idee gut findet, funktioniert die Arbeit natürlich besser.

Es ist auch eine Frage, wie man als Trainer:in seinen Plan kommuniziert. Es macht einen riesigen Unterschied, ob man sagt: Wir haben ein Problem und daran müssen wir arbeiten. Oder ob man der Mannschaft vermittelt: Wir wollen uns weiter verbessern und die mentale Komponente dazunehmen – dann werden wir sehen, was es uns bringt.

Was würdest du Spielern sagen, die Vorbehalte haben?

Oft kommen die Berührungsängste oder der Abwehrmechanismus daher, dass ein Spieler oder eine Spielerin nicht weiß, was ein Sportpsychologe genau macht und wie er arbeitet. Wenn man das erklärt und Beispiele bringt, wächst das Verständnis. Ich arbeite zum Beispiel viel mit praktischen Übungen. Dabei gibt es oft Aha-Erlebnisse und spätestens die können die meisten Spieler:innen überzeugen. Es ist aber auch ein Teil der Wahrheit, dass du in jeder Mannschaft Spieler:innen hast, für die das einfach nichts ist – und das ist auch okay.

Was rätst du einem Trainer, wie er damit umgehen sollte, wenn er eigentlich gerne einen Sportpsychologen hinzuziehen möchte, aber zweifelt, ob das etwas für sein Team ist.

Ich würde unbedingt dafür plädieren, es mit dem Team zu besprechen und es einfach auszuprobieren – auch, wenn es keine hundert Prozent Zustimmung in der Mannschaft gibt. Selbst wenn man am Ende nicht alle Spieler:innen erreicht, können die Maßnahmen helfen, das Team besser zu machen. Und selbst die Spieler:innen, die zweifeln, nehmen oft nebenbei etwas mit. Und es gibt natürlich auch Spieler:innen, die von Natur aus Mentalmonster sind. Da muss man dann auch nicht auf Zwang herumdoktern, wenn es für sie funktioniert.

Welche Rolle spielt das Niveau, auf dem eine Mannschaft spielt?

Die Probleme sind oft unabhängig vom Niveau die gleichen. Das Selbstvertrauen – gerade nach mehreren Niederlagen – ist ein riesiges Thema und das hast du bei Profisportler:innen ebenso wie im Breitensport.

Und die Altersklasse? Inwiefern lohnt sich die Arbeit unterhalb des Erwachsenenbereichs?

Die regelmäßige Arbeit mit einem Sportpsychologen ist mit Jugendlichen sinnvoll, sobald sie leistungsorientiert unterwegs ist. Punktuell und spielerisch kann man aber auch Kinder bereits an das Thema heranführen; da reichen zehn oder fünfzehn Minuten im oder nach dem Training. Ich trainiere zum Beispiel acht- bis 14-jährige Mädchen im Softball und spreche auch schon mit ihnen darüber, wie sie sich in bestimmten Situationen fühlen. Ich frage: In welchen Situationen bist du aufgeregt? Wo fühlst du die Aufregung? Wie geht es dir damit?

Was bringt das?

Kinder müssen lernen, mit diesen Gefühlen umzugehen. Sie müssen lernen, dass das Kribbeln im Körper in manchen Situationen normal ist – und vor Spielbeginn zum Beispiel bedeutet, dass sich der Körper damit bereit macht, Leistung zu bringen. Und sie können erste Techniken, wie zum Beispiel verschiedene Atemtechniken lernen, um zum Beispiel mit Aufregung umzugehen. Die kann man in jedem Alter lernen. Ich frage auch gerne im Mannschaftskreis: Was macht ihr, wenn ihr aufgeregt seid? So kommen die Kinder untereinander ins Reden und lernen, ihre Gefühle einzuordnen und sich gegenseitig Tipps zu geben. Der Sport gibt Kindern ohnehin so viel für das allgemeine Leben mit – wie den Umgang mit Druck – und da gehört auch diese Komponente dazu.

Wenn eine Mannschaft jedoch noch nie mit einem Sportpsychologen gearbeitet hat, ist die einzige Maßnahme in dieser Richtung oft das obligatorische „Teambuilding-Event“ in der Vorbereitung …

Solche Teambuildung-Maßnahmen kann man natürlich machen, aber ich finde die Art und Weise oft nicht wirklich gut. Viele Teams gehen raften oder klettern, was für das soziale Miteinander natürlich gut ist, aber wenn es den Zweck des Teambuildings erfüllen soll, holen sie oft nicht das Maximum raus. Dafür müsste es wirklich als Teamevent angelegt werden, kooperativ und mit verschiedenen Rollen. Und es sollte auch entsprechend nachbereitet werden. Ich finde es schade, dass da oft Chancen vergeben werden. Es spricht aber natürlich generell nichts gegen nette Team-Zusammenkünfte aller Art. Sich auch außerhalb des Sports kennenzulernen, trägt auch dazu bei, als Team enger zusammenzurücken.

Wenn sich ein Trainer dafür entscheidet, mit einem Sportpsychologen zu arbeiten: Wie kann er einen finden?

Es gibt eine Expertenliste, die ursprünglich vom Bundesinstitut für Sportwissen (BISP) geführt wurde. Inzwischen ist das übergegangen in die Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie (asp). Dort kann man Sportpsychologen in seinem Umkreis suchen oder nach Sportarten auswählen. Es kann sinnvoll sein, wenn man nach Sportpsychologen sucht, die selbst Mannschaftssport gemacht haben oder schon Teams – im Handball – betreut haben. Das ist aber absolut kein Muss! Ein Teil unserer Arbeit als Sportpsycholog:innen ist es immer, sich in Sportarten einzuarbeiten und sich in Mannschaften einzufühlen.

Was kann die Sportpsychologie nicht leisten?

Man darf nicht erwarten, dass der Sportpsychologe heute das erste Mal kommt und man morgen ein Ergebnis sieht. Wer das verspricht, ist komplett unseriös. Das kann sich jeder selbst denken, denn wir können nicht gezielt steuern, wie Menschen reagieren. Sie müssen schon selbst im mentalen Bereich arbeiten, sich mit sich selbst beschäftigen und Dinge lernen wollen.

Als langer Arm des Coaches eignen wir uns auch nicht. Wir können sicherlich eine Mediatorrolle im Gespräch zwischen Trainer:in und Mannschaft einnehmen, aber wenn ein:e Trainer:in mit seiner bzw. ihrer Mannschaft nicht klar kommt, ist ein Sportpsychologe nicht die richtige Person, um die Meinung des/der Trainer:in bei der Mannschaft durchzudrücken. Vom Coach oder der Vereinsführung instrumentalisiert zu werden, ist keine Rolle, die wir einnehmen können und wollen.

Und auch, wenn es bei einzelnen Spieler:innen individuell in den Bereich der klinischen Psychologie geht – ob mit Depressionen, Angststörungen oder ähnliches – ist ein Sportpsychologe nicht unbedingt der richtige Ansprechpartner, denn dafür braucht es eine besondere Ausbildung. Ich gebe solche Fälle an eine Kollegin, die zusätzlich klinische bzw. psychologische Psychotherapeutin ist. Es gibt aber auch sportpsychologische Kolleg:innen, die beide Ausbildungen haben und Sportler:innen auch in diesem Fall weiterhelfen können.

Abschließend: Was würdest du einem Trainer sagen, der das Thema grundsätzlich interessant findet, dessen Verein oder Mannschaft sich aber keinen Sportpsychologen leisten kann?

Das Anliegen ist mir natürlich bekannt, das werde ich immer wieder gefragt. Es ist schwierig zu beantworten, denn ich kann natürlich nur total allgemeine Hinweise geben, wenn ich das Team und den/die Trainer:in nicht kenne. Aus der Ferne ist eine optimale Hilfe nicht möglich. Das schiebe ich immer vorweg, weil ich es sonst unseriös finde.

Unter dieser Prämisse kann ich – wenn überhaupt – nur sehr allgemeine Tipps geben und ob die dann fruchten, ist fraglich. Daher vermeide ich das meist und rate dazu, einmal zu schauen, ob man als Team nicht für die sportpsychologische Betreuung zusammenlegen oder einen Sponsoren finden kann.

Wie kann ein Trainer in so einer Situation vorangehen?

Ein:e Trainer:in muss in Krisensituationen der Fels in der Brandung sein – auch, wenn er oder sie selbst zweifelt oder mit der Krise hadert. Jeder kennt es, dass die Spieler:innen zum/-r Trainer:in gucken, wenn es nicht gut läuft – und wenn dort ein:e Trainer:in steht, der oder die ständig den Kopf schüttelt, macht das etwas mit den Spieler:innen. Als Trainer:in muss es dir gelingen, Mut zu machen; alles andere nützt im Spiel nichts. Ebenso wichtig ist es als Trainer:in aber, mit den Co-Trainer:innen oder Vertrauten über die eigenen Zweifel und Sorgen zu sprechen. Diesen Raum muss man sich für die eigene Psychohygiene nehmen, denn auch ein:e Trainer:in darf nicht alles runterschlucken und muss sich Rat und Unterstützung – gern auch beim Sportpsychologen – holen dürfen

„Volle 60 Minuten“ – online im Dezember

„Volle 60 Minuten“ – online im Dezember

„Volle 60 Minuten“ – online im Dezember

Dezember 6, 2023| Marc Fasthoff

Schon morgen am Montag läuft die 13. Folge unserer Vortragsreihe „Volle 60 Minuten“: Interessante Einblicke wird diesmal Thorsten Zacharias geben. Der Leiter des Coachings im Schiedsrichterwesen des DHB wird von seiner eigenen Karriere als Elite-Schiedsrichter berichten, aber auch das Coaching im deutschen Schiedsrichterwesen wird natürlich Thema sein – ihr dürft euch auf einen offenen Austausch freuen. Bringt also unbedingt eure Fragen mit!

🗓️ Montag, 11. Dezember

⏰ 19:00 bis 20:00 Uhr

📌 Der Link für alle Online-Vorträge von „Volle 60 Minuten“ bei » Zoom
Meeting-ID: 815 7660 8634 | Kenncode: 238128

Wir freuen uns auf viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei diesem Highlight #volle60minuten #dhtv #handball #schiedsrichter

Rückblicke …

Rückblicke …

Rückblicke …

November 18, 2023| Marc Fasthoff

Ereignisreiches Fortbildungsjahr geht in Potsdam zu Ende

Am vergangenen Freitagabend nahmen mehr als 40 Trainerinnen und Trainer an einer Fortbildung mit dem Schwerpunkt Kinder- und Jugendhandball in Potsdam teil. Der Handball-Verband Brandenburg, die Deutsche Handballtrainervereinigung und der 1. VfL Potsdam stellten diese Altersklasse zum wiederholten Male in den Mittelpunkt ihrer Veranstaltungen. Ziel ist es dabei natürlich die Basis zu verbreitern und für Begeisterung zu sorgen.
Melanie und Stefan Bergold waren dabei wie gewohnt mit viel Engagement, Hingabe und Flexibilität dabei zu erläutern, wie sie Kinderhandball verstehen und an junge Schützlinge weitergeben. Im Anschluss zeigten die A-Lizenz-Inhaber Jan Piske und Felix Schmidt, dass das „gute Verteidigen“ nicht nur bereits unbedingt im Jugendbereich anfangen muss, sondern auch viel Spaß machen kann.
Neben den drei Fortbildungen im Zuge der U21-Weltmeisterschaft waren der Kinderhandball und Zusammenkünfte zwischen Schiedsrichtern und Trainern unter dem Motto „gemeinsam statt einsam“ Höhepunkte des zu Ende gehenden Aus- und Fortbildungsjahres