„Tacheles reden, wenn es notwendig ist“ – Interview mit Martin Heuberger

Dezember 29, 2024| Marc Fasthoff

Mit sechs Titeln als Cheftrainer ist er der erfolgreichste Coach des Deutschen Handballbundes: Junioren-Bundestrainer Martin Heuberger. 2004, 2006 und 2021 führte er den DHB-Nachwuchs zum Europameistertitel; 2009, 2011 und 2023 gab es Gold bei den Junioren-Weltmeisterschaften. Im Interview spricht er darüber, worauf es in der Kommunikation zwischen Spieler und Trainer ankommt.

Worauf kommt es als Trainer in der Kommunikation mit den eigenen Spielern an?

Es ist wichtig, die Fakten zu nennen: wo liegen die Stärken der Spieler und wo liegen noch Potenziale; die Stellen, an denen sie sich verbessern können. Mit solchen Fakten müssen die Spieler umgehen lernen – gerade, wenn sie in Richtung Leistungssport wollen, ist eine offene und ehrliche Kommunikation ganz wichtig. Deshalb muss man als Trainer auch klar sagen, woran es noch hapert, warum es nicht reicht, warum der andere Spieler besser ist. Das ist enorm. wichtig und dann können die Jungs entscheiden, was sie mit diesen Informationen machen. Sie können entscheiden, ob sie weiterarbeiten wollen an den Defiziten und den Potenzialen, die man ihnen aufzeigt oder nicht. Und an dieser Stelle trennt sich die Spreu vom Weizen.

Inwiefern gibt es in der Kommunikation einen Unterschied, ob man Vereinstrainer ist oder wie du aktuell Auswahltrainer?

Da gibt es für mich keinen Unterschied. Im Gegenteil: Als Auswahltrainer haben wir immer nur eine Momentaufnahme. Klar, wir beobachten auch die Vereinsspiele und haben einen Blick auf die Spieler, aber beim Lehrgang sind die Spieler nur wenige Tage vor Ort. So bekommt man als Auswahltrainer manchmal ein verfälschtes Bild. Für einen Vereinstrainer ist es daher sogar noch wichtiger, dass er den Spielern nicht nur die Fakten nennt, sondern auch mit den Spielern gerade an den Potentialen und Defiziten arbeitet.

Weil der Vereinstrainer den Spieler mehrmals in der Woche sieht und der Auswahltrainer nur kurz auf dem Lehrgang?

Genau. Wir haben die Zeit bei der Nationalmannschaft oft gar nicht, wir können oft nur unsere Empfehlungen aussprechen. Genau deshalb kommunizieren wir aber auch viel mit den Heimtrainern und tauschen uns regelmäßig aus. Denn man muss schon ehrlich sagen: Die Arbeit passiert in den Vereinen, weniger bei der Auswahl.

Auf den Ausbildungslehrgängen für Trainer ist die Kommunikation oft kein Schwerpunkt. Kann man die Kommunikation mit den Spielern lernen?

Ein Stückweit schon, ja. Es ist sicherlich auch eine Charaktereigenschaft von einem Trainer, einen Blick dafür zu haben, wie ich die Spieler gerade im individuellen Bereich weiterbringen kann und entwickeln kann, aber es geht eben auch darum, Tacheles zu reden, wenn es notwendig ist, unverblümt die Fakten zu nennen. Die Spieler müssen allerdings auch bereit sein, etwas daraus zu machen, was man ihnen mit auf den Weg gibt.

Was waren – an was erinnerst du dich noch – die größten Knackpunkte in der Anfangszeit?

Am Anfang sind viele Dinge neu und da muss sich ein Trainer immer erst reinfuchsen und lernen – und dann entwickelt man sich selbst weiter. Man bekommt ein geschultes Auge und einen anderen Blick auf die Dinge, als ein junger, unerfahrener Trainer ihn hat. Das hilft natürlich extrem, um die Fakten benennen zu können.

Welche Tipps würdest du einem Trainer geben, der an seiner Kommunikation arbeiten will?

Das ist pauschal schwierig, da muss man im Einzelfall schauen, wo es hakt. Dinge anzusprechen, kann erst einmal jeder, es kann aber sein, dass schlicht und einfach das fachliche Know-How fehlt. Es kommt natürlich auch auf die Art und Weise an. Eine offene und ehrliche Kommunikation ist mir wichtig, dass die Spieler die Fakten kennen, aber einfach mit einem Holzhammer draufhauen, geht halt auch nicht.

Was ist ein großer Schritt, den du über die Jahre in der Kommunikation gemacht hast?

Ich war früher eher emotional, da bin ich sicherlich mit den Jahren ruhiger geworden. In meinen Anfängen bin ich relativ schnell sehr impulsiv gewesen; gerade, wenn es nicht so gelaufen ist wie ich mir das vorgestellt habe. Mittlerweile habe ich gelernt, dass es ein Reifeprozess ist. Man kann nicht von heute auf morgen erwarten, dass die Dinge, die man als Trainer im Kopf hat, umgesetzt werden. Das braucht Zeit und die Zeit muss ich den Jungs als Trainer auch geben. Wenn ich aber merke, dass sich nichts entwickelt, ist irgendwann Schluss. Wenn der Spieler vielleicht sogar die Einstellung hat, sich gar nicht verbessern zu wollen, dann trennen sich eben die Wege.

Welche Unterschiede gibt es im Umgang mit Erwachsenen- und Nachwuchsspielern?

Ein jüngerer Spieler braucht ein bisschen engere Führung als ein älterer Spieler, der sich in der Regel – es gibt auch Ausnahmen – bereits besser einschätzen kann. Durch die Erfahrung sind ältere Spieler oft reflektierter. Es gibt aber in jedem Alter einzelne Spieler, die ein anderes Fremdbild von sich haben; die sich nicht ganz realistisch einschätzen können. Da muss man sagen, was Sache ist.

Was gehört – abseits der Fakten – zur engeren Führung dazu?

Als Trainer muss ich die jungen Spieler in gewisser Weise erst einmal erziehen. Sie wissen oftmals nicht, was Leistungssport heißt, was es heißt, sich im täglichen Training zu quälen, auch, wenn ich mal keine Lust habe und was es heißt, sich zu organisieren. Im höchsten Leistungsbereich liegt der Fokus ganz auf dem Handball, da ist es einfacher, aber bei jungen Spielern kommt Schule oder Ausbildung dazu. Da muss man sie in die richtige Schiene setzen. Das kann man vom Leistungsbereich übrigens herunterbrechen in den Amateurbereich.

Inwiefern?

Ich denke, es geht immer darum, besser zu werden. Es ist das Ziel eines Einzelnen und der Mannschaft, dass man über die Saison eine Entwicklungsprozess sieht. Das ist nicht abhängig von der Liga oder Altersklasse. Wenn man dieses Ziel nicht hat, macht man als Trainer aus meiner Sicht etwas falsch, denn ich sehe die Trainerrolle nicht dafür zuständig, um die Spieler nur zu bespaßen.

Was kann man im Austausch Spieler/Trainer abseits der direkten Kommunikation falsch machen?

Wenn ich in manchen Spielen beobachte, wie einige Trainer ihre Teams coachen, muss ich sagen: Da habe ich eine andere Philosophie. Manche sind aus meiner Sicht zu impulsiv, zu energisch und zu rabiat, zu forsch in manchen Dingen, vor allem in der Wortwahl. Es sollte mehr darum gehen, Inhalte rüberzubringen, das muss man eher im ruhigen Rahmen machen.

Wie meinst du das konkret?

Im Spiel kriegen die Spieler – gerade, wenn sie schon etwas kaputt sind – oftmals nicht mit, was von der Seite impulsiv gebrüllt wird. Und oft sind die Kommentare von der Seite wie „Triff das Tor“ auch nicht hilfreich. Dass er das Tor treffen soll, weiß der Spieler in der Regel selbst. Vom Trainer muss vielmehr eine Hilfestellung kommen, was der Spieler verändern sollte bzw. könnte. Und für diesen Austausch nehme ich den Spieler vielleicht lieber kurz raus und versuche, in einer ruhigen Sekunde auf der Bank zu erklären, was die Fehlerquelle ist und was er besser machen soll. Nur Fehlerquellen aufzählen, hilft ebensowenig.

Und ansonsten?

Ich beobachte viele Spiele und mir ist manchmal aufgefallen, dass der ein oder andere Trainer sich auf die Bank hockt und sich im Schneckenhaus, wenn es nicht läuft. Das ist im Coaching der falsche Weg, finde ich. Gerade in solchen Situationen bin ich als Trainer gefragt, aktiv zu werden und durch Umstellungen Veränderungen zu erreichen. Ich unterhalte mich mit Spielern und versuche, ihnen neue Dinge auf den Weg zu geben, was sie vielleicht verändern können. Es gibt jedoch leider Kollegen, die wie eine Mannschaft in eine Loch fallen und nicht einmal mehr versuchen, etwas zu verändern. Dabei ist es doch die Aufgabe als Trainer, das Spiel zu lenken. Ob es dann richtig oder falsch ist, was man versucht, wird man erst am Ende sehen, aber wenn ich als Trainer gar nichts mache und mich selbst ergebe, ist es der größte Fehler.

Abschließend ein Blick auf die DHTV: Du hast mit deinen Auswahlmannschaften auch hin und wieder schon von der Förderung profitiert; vor zwei Jahren gab es beispielsweise in der Vorbereitung neue Mixer. Wie wichtig ist so ein Support?

Das ist ganz toll und da möchte ich der DHTV ein großes Kompliment aussprechen, dass sie uns Dinge ermöglicht haben, die für uns sonst nicht bezahlbar sind. Vor der Junioren-WM haben wir über Pitti eine Teambuilding-Maßnahme auf den Weg gebracht, das war eine tolle Geschichte und eine große Unterstützung. Ich habe auch schon Veranstaltungen der DHTV miterlebt und es ist immer gut, wenn man sich unter Trainerkollegen austauschen kann. Man nimmt immer etwas mit, bringt seinen Input ein und kriegt etwas zurück.