Gleb, du hast im September deine erste Folge von „Volle 60 Minuten“ moderiert. Wie fällt deine Bilanz aus?
Es war ziemlich cool! Peter war ein bemerkenswerter Gesprächspartner und ich glaube, gerade mit dem Videobeweis hatten wir auch ein gutes Gesprächsthema. Seine Einblicke waren für alle Zuhörerinnen und Zuhörer sicherlich sehr interessant.
Warum hast du entschieden, die „Vollen 60 Minuten“ zu übernehmen?
Weil ich gefragt wurde (lacht). Nein, im Ernst: Als ich damals in die Schiedsrichterwelt gekommen bin, war die DHTV vom ersten Tag an meiner Seite – und das ist für mich jetzt, nach meiner aktiven Schiedsrichterkarriere, eine Möglichkeit, Dankbarkeit und Wertschätzung für die tolle Vereinigung zu zeigen. Mir hat die erste Ausgabe sehr viel Spaß gemacht und ich hoffe, dass es so gut weitergeht.
Inwiefern war die Moderation eine Herausforderung für dich?
Es war natürlich die erste Ausgabe für mich, aber von der Sache her war es dennoch nichts Neues, denn ich mache beruflich sehr viel mit Veranstaltungen, wo es um Moderation geht. Böse Zungen würden sagen, ich bin eine kleine Rampensau – und ich glaube, das hat man durchaus auch gesehen (lacht). Ich finde, als Moderator ist es in diesem Fall so ein bisschen wie ein Theaterstück – man steht auf einer virtuellen Bühne und nimmt eine Rolle ein, die zum Gesprächspartner passt. Beim einen Gast brauchst du nur hin und wieder einen „Knopf zu drücken“ und er redet wie ein Wasserfall und den nächsten Gast musst du mehr „umarmen“, bis er auftaut.
Ein Schiedsrichter ist auf dem Feld auch immer wieder ein Moderator: Was hast du durch die Schiedsrichterei gelernt, was du jetzt in dieser Rolle nutzen kannst?
Geduld und eine gewisse Gelassenheit. Ich glaube, das sind die wichtigsten Attribute, die ich einbringen kann. Es wird wie eben angedeutet Gesprächsgäste geben, mit denen ich erst warmwerden muss und dafür braucht man als Moderator Geduld und darf nicht direkt nach den ersten zwei, drei Fragen aufgeben, auch wenn man nur „Einzeiler“ als Antworten zurückbekommt. Und die Gelassenheit hilft, wenn ein Gespräch nicht gut läuft oder das Feedback des Auditoriums nicht so gut ist.
Wie meinst du das?
Die Fragerunde im Anschluss an das Gespräch mit Peter war dafür ein gutes Beispiel, denn es war sehr zurückhaltend – und manche denken, dass es nicht gut ist, wenn nicht viele Fragen gestellt werden. Ich finde, das ist Quatsch: Wir hatten zwar nur wenig, aber dafür gut überlegte Nachfragen. Aber es braucht natürlich dennoch eine gewisse Gelassenheit, um in den Sekunden damit umzugehen, wenn nicht sofort zehn virtuelle Hände hochgehen.
Magst du kurz für alle, denen deine Name noch nichts sagt, umreißen, wie deine Schiedsrichter-Karriere verlaufen ist?
Im Alter von 18 Jahren bin ich zusammen mit meinem Gespannpartner Christian in die Jugendbundesliga gekommen, dann sind wir leider relativ knapp am Nachwuchskader des Deutschen Handballbundes vorbeigeschrammt. Anschließend haben wir zusammen knapp zehn Jahre in der 3. Liga gepfiffen, bevor ich zum Jahreswechsel 2023 aus persönlichen Gründen aufgehört habe.
Inwiefern fehlt dir das Pfeifen?
In den ersten Monaten tat es schon ein bisschen weh, denn wir waren plötzlich raus, nachdem wir uns jahrelang Wochenende für Wochenende ins Auto gesetzt hatten und zusammen losgefahren sind. Ich habe diese Zeit wirklich genossen. Inzwischen bin ich aber auch fein damit, dass es vorbei ist. Meine Erfahrung bringe ich jetzt im Coaching und in der Förderung von jungen Gespannen bei uns im Handballverband ein.
Wie erlebst du die Situation im Schiedsrichterwesen?
Manchmal scheint es wie ein kleiner Kulturkampf zu sein, denn es prallen an der Basis schon zwei Welten aufeinander. Auf der einen Seite stehen die Schiedsrichter, die versuchen, sich ihren Platz in der Handballwelt zu erkämpfen und auf der anderen Seite stehen Trainer, Spieler und Mannschaften, die dem Schiedsrichter noch nicht den Platz einräumen, den er verdient. Es wird immer besser, so ist das nicht, aber auch der dieser gute Weg, auf dem wir sind, ist noch lang und steinig. Gerade viele Trainer vergessen aus meiner Sicht nämlich eine Sache, mit der wir als Schiedsrichter dann zu kämpfen haben …
Welche?
Die Spieler fangen oft schon mit fünf oder sechs Jahren an, Handball zu spielen. Wenn sie irgendwann in der B-Jugend spielen, haben sie schon zehn Jahre Handballerfahrung, während der Schiedsrichter vielleicht erst zwei oder drei Jahre seinen Schiedsrichterschein hat. Spieler und Schiedsrichter entwickeln sich ambivalent, weil sie zu verschiedenen Zeitpunkten starten. Und vor diesem Hintergrund verlangen viele Trainer zu früh zu viel von den Schiedsrichtern. Gebt den jungen Schiedsrichtern doch erst einmal zehn Jahre Zeit, um Erfahrung zu sammeln – und dann sind sie genauso gut wie die Spieler nach dieser Entwicklungszeit.
Was würdest du dir wünschen, um die Situation vielleicht zu verbessern?
Unser Landesverband hat im Jugendförderkader, dem JFK, den Delegierten eigeführt. Ich finde das eine super Maßnahme, weil man so wirklich die Möglichkeit hat, die jungen Schiedsrichter aktiv zu unterstützen. Ich saß oft mit meinem Beobachtungsbogen in der Halle und habe positive und negative Dinge notiert, aber die Schiedsrichter wurden auf dem Feld einfach nur fertig gemacht. In so einer Situation sitzt man als Coach relativ hilflos auf der Tribüne.
Als Delegierter kann man den Schiedsrichtern den Rücken stärken und sich um das Verhalten der Bänke kümmern. Man zieht so die Aufmerksamkeit auf sich und von den Schiedsrichtern weg und das ist okay. Wenn mich ein Trainer anmacht, habe ich das am nächsten Tag vergessen, aber einem 18-jährigen Schiedsrichter am Anfang seiner Karriere tut das weh und er nimmt sich das sehr zu Herzen.
Zum Abschluss: Was willst du mit den „Vollen 60 Minuten“ erreichen?
Der Austausch mit den bekannten Schiedsrichtern ist für junge Schiedsrichter unbeschreiblich viel wert. Wenn sie von ihrem Werdegang erzählen und ihre persönlichen Tipps und Tricks erzählen – wie Robert Schulze in der ersten Folge vor einem Jahr – kann man davon viel mitnehmen. Dieser Mehrwert ist natürlich das Wichtigste.
Ich möchte aber auch gerne einen Dialog zwischen Schiedsrichtern und Trainern schaffen. Wenn wir auch mal beide Welten – Trainer und Schiedsrichter – zum Gespräch einladen und so am gegenseitigen Verständnis arbeiten, wird das nach und nach hoffentlich mehr Respekt schaffen – von der Spitze bis zur Basis. Natürlich sind die „Vollen 60 Minuten“ in erster Linie eine Veranstaltung von Schiedsrichtern für Schiedsrichtern, aber ich würde gerne auch die Coaches immer wieder einbinden, denn wir sind ja die Deutsche Handball Trainer Vereinigung.