„Die meisten Torhüter haben die größten Defizite im Rahmen der Beinarbeit.“ – Interview mit Franco Tafuro

„Die meisten Torhüter haben die größten Defizite im Rahmen der Beinarbeit.“ – Interview mit Franco Tafuro

„Die meisten Torhüter haben die größten Defizite im Rahmen der Beinarbeit.“ – Interview mit Franco Tafuro

Dezember 4, 2024| Marc Fasthoff

Der Schlussmann im Fokus: Ein Torwarttrainer ist im oberen Leistungsbereich Usus, im Amateur- und Jugendhandball jedoch keine Selbstverständlichkeit. Wie gelingt es, den Keeper im Training trotzdem in den Blick zu nehmen – und ab welcher Altersklasse ist das empfehlenswert? Franco Tafuro ist ausgebildeter DHB-Torhüter*innen-Trainer und gründete gemeinsam mit Ex-Nationalspielerin Debbie Klijn die Torwart-Trainer-Academy. Im Interview berichtet er aus seiner Erfahrung und betont: „Torhüter wollen gar nicht das ganze Training haben, aber zumindest einen kleinen Abschnitt.“ 

Franco, es gibt im mittleren und unteren Leistungsbereich sowie der Jugend viele Mannschaften bzw. Vereine, die keinen Torwarttrainer haben. Was kann ein Trainer tun, damit sich seine Torhüter im Mannschaftstraining wohl und vor allem gesehen fühlen? 

Die Torhüter brauchen auch im Mannschaftstraining eine Einbindung; eine Zeitspanne, wo die Aufmerksamkeit ihnen gilt. Außerdem brauchen Torhüter konkrete Aufgaben und dadurch eine Förderung. Wenn sich der Cheftrainer mit den Feldspielern beschäftigt, kann der Torhüter sich durchaus mit Einzelübungen selbst beschäftigen. Die Vorgaben dafür sollten jedoch vom Trainer kommen und das ist das Mindestes, was ich mir wünschen würde. Und weißt du, warum?

Warum? 

Weil wir immer wieder sehen, dass die Torhüter besser werden, sobald das geschieht! Sie haben eine gezielte Förderung und können an sich arbeiten. Ich höre bei Workshops immer wieder von Torhütern, dass sie den Eindruck haben, dass sie nur nebenbei laufen. Für mich als Trainer wäre die Position des Torhüters viel zu wichtig, um sie bei der Förderung weitestgehend zu ignorieren, denn ohne eine solche individuelle Förderung werden wir maximal durchschnittliche Leistung unsere Torhüter erhalten.

Wie viel Zeit sollte das Torwarttraining einnehmen? 

Torhüter wollen gar nicht das ganze Training haben, aber zumindest einen kleinen Abschnitt. 15 bis 20 Minuten in der Woche sind ein guter Richtwert, das hat Mattias Andersson im Mannschaftstraining des THW Kiel ebenfalls. Wenn ein Amateurteam zwei Einheiten hat, sind es 20 von 180 Minuten – und das ist aus meiner Sicht nicht zu viel. Wir wissen ja, dass die Torwartposition als eine der wichtigsten Positionen im Handball angesehen wird. Außerdem kann ich das Training der Torhüter ggf. mit dem Mannschaftstraining verbinden – und es beispielsweise als Wurftraining für die Außenspieler nutzen, aber den Fokus sichtbar auf den Keeper legen.

Sichtbar? 

Ich gebe die Aufgabe für die Feldspieler beim Wurftraining klar vor, konzentriere mich über Blick und Position aber auf auf den Torwart. Ich stehe auf fünf, sechs Meter, meine Blickrichtung ist zum Tor. Das schafft bereits gezieltere Würfe und ich gebe dem Torwart Aufmerksamkeit.

Ansonsten sprachst du eingangs davon, dem Torhüter Einzelaufgaben zu geben… 

Genau, das ist eine gute Möglichkeit; gerade, wenn man als Trainer alleine mit der ganzen Mannschaft in der Halle steht. Torhüter können mit Pommes und Koordinationsleiter an der Beinarbeit arbeiten oder mit verschiedenen Materialien an der Auge-Fuß- bzw. Hand-Auge-Koordination. Ich bin ein großer Fan der ‚Ballklatschen. Den Torhüter einfach nur zehn Minuten zum Dehnen zu schicken, ist aus meiner Sicht überholt.

Inwiefern? 

Das war in meiner Generation sicherlich Standard, aber es hat nichts damit zu tun, dass der Torhüter warm wird. Eine bessere Alternative ist das so genannte MAPS-Plakat, das der DHB kostenlos zum Download ( https://www.dhb.de/sites/default/files/2024-12/MAPS Poster Torhüter.pdf ) bereitstellt. Wenn ich das ausdrucke und dem Torhüter gebe, kann er sich selbst pro Einheit ein Programm aus den Übungen zusammenstellen. Wir haben auch mal einzelne Übungen fotografiert und sie mit Erläuterung zu laminierten Karten zusammengebastelt. Oder uns Übungsvideos auf ein Tablet geladen, was wir dem Torhüter dann gegeben haben. Es gibt so viele Möglichkeiten.

Das Dehnen gehört für einige Torhüter ebenso wie das standardisierte Einwerden dazu – und er will nicht, dass es ihm ‚gestrichenwird. Wie finde ich da einen Kompromiss? 

Das Gespräch mit dem Torhüter suchen, ist sicherlich der erste Schritt. Man kann als Trainer dann zum Beispiel erklären, was der Hintergrund ist – und sich beispielsweise einigen, dass am Spieltag die Routinen des Torhüters eingehalten werden und im Training immer mal wieder neue Reize gesetzt werden. Und wenn ein Torwart auf die Routine des Dehnens besteht, kann man in die Absprache gehen, inwiefern er früher kommen will. Die koordinative Förderung – und ich verweise erneut auf das MAPS-Plakat – ist jedoch unheimlich wichtig.

Was wären abseits des individuellen Programms neue Reize? 

Es ließe sich die übliche Wurfkombination beim Einwerfen variieren, das Einwerfen erfolgt aus anderen Positionen. Es muss beispielsweise nicht immer aus der Mitte erfolgen, sondern es lassen sich Varianten einbauen, die dem Torwart helfen – von den Halbpositionen oder von Außen. Da ist Kreativität möglich, obwohl der Schwerpunkt auf dem Einwerfen liegt.

Wenn Trainer selbst keine Torhüter gewesen sind, fehlt die eigene praktische Erfahrung mit dieser Position. Was würdest du da empfehlen? 

Ein paar einfache Eingriffe kann und muss jeder vornehmen, um seine Torhüter zu verbessern. Neue Reize zu setzen und den Torhüter im Training neu zu fordern, ist dabei der erste Schritt. Denn wenn wir den Torhüter nur das machen lassen, was er immer gemacht hat, werden wir in der Halle auch nur das bekommen, was er immer gehalten – oder irgendwann vielleicht auch nicht einmal mehr das. Wie soll ein Torhüter besser werden bei Würfen von Außen, wenn wir seine Beinarbeit nicht verbessern? Und wie soll er die 1. Welle besser werfen, wenn er das im Training nicht üben kann? Es ist ja schlicht und einfach ein Differenzierungsvermögen, den Pass so einschätzen, dass der Ball da landet, wo der Spieler ihn auch fangen kann.

Wie viel kann man auch falsch machen aus Unwissenheit? 

Wenn ich zu viel auf einmal einführen will, verwirre ich den Torhüter. Dinge, die ich neu mache, müssen wiederholt werden; das ist im Mannschaftstraining nicht anders, wenn wir neue Abläufe einstudieren. Wiederholung schafft Verbesserung. Ich kann natürlich auch Fehler wiederholen, aber man sollte dennoch keine Angst haben. Wenn man sich selbst unsicher ist, kann man sich Unterstützung suchen.

Ein Torwarttrainer kostet jedoch vielleicht Geld, das nicht da ist … 

Einige Vereine haben mit sehr viel Erfolg einen Torwarttrainer installiert, der mit allen Teams arbeitet. Da finden sich übergreifend in unregelmäßigen Einheiten Jugend- oder Erwachsenentorhüter zusammen oder der Torwarttrainer kommt vereinzelt auch mal ins Mannschaftstraining. Das ist finanziell oft besser umsetzbar als ein Torwarttrainer pro Mannschaft und es schafft immer noch eine besondere Förderung dieser wichtigen Position.

Denn der große Vorteil, den wir als Torwarttrainer haben: Wir haben weniger Spieler auf einmal im Training und so eine größere Aufmerksamkeit auf jeden einzelnen Torhüter. Das schafft größere Erfolge. Oder, wenn man in der Jugend tätig ist, kann man auch einen Torwart aus den Erwachsenenteams um Hilfe bitten, ob er pro Monat ein- oder zweimal ehrenamtlich vorbeikommen kann.

Was ist aus deiner Erfahrung bei der Einteilung von mannschaftsübergreifenden Trainingsgruppen heraus sinnvoll? 

A- und B-Jugendliche können grundsätzlich – je nach Entwicklungsstand – mit erwachsenen Torhütern zusammen geschult werden. Der D- und C-Jugend-Torhüter braucht hingegen aufgrund der Spielkonzeption eine ganz andere Schulung; er wird viel mehr Durchbrüche parieren müssen, weil in dieser Altersklasse noch keine defensive Deckungsformation gespielt wird.

Daher müssen wir dort den Tempohandball und die Eins-gegen-Eins-Situation – Torwart gegen Werfer – trainieren, im Nahwurfbereich, bei Durchbrüchen und von den Außenpositionen. Beim HSV Hamburg, wo ich aktuell tätig bin, trainieren die Torhüter der U15 separat und die U17, U19 und U21 in einem Team.

Ab welchem Alter ist Torwarttraining generell sinnvoll? 

Ab der D-Jugend werden die Würfe härter und ich brauche mehr Technik, um die Bälle zu halten. Dort sollte man auf jeden Fall beginnen, denn wir haben die Erfahrung gemacht: Wenn ein Torhüter zu spät mit dem Techniktraining beginnt, ist er ab der C-Jugend schnell überfordert, wenn die Würfe härter werden und mehr Bälle über die Außenposition kommen. Je früher sie Technik erlernen, desto schneller werden sie auch einen Spaß am Torwartspiel haben. Und auch der Deutsche Handballbund hat das in der Rahmentrainingskonzeption inzwischen angepasst und nennt die D-Jugend als Startalter für Torwarttraining.

Und in der E-Jugend? 

Da sollte jedes Kind auch mal ins Tor gehen, wenn es das möchte. Man kann den torwartbegeisterten Kindern aber auch schon ein paar Hilfen geben. Sie sollen schulterbreit stehen, die Arme leicht nach oben gebeugt, in den Knien wippend und Hände oben haben, um schnell am Ball zu sein und den Kopf zu schützen. Außerdem gilt: Hände seitlich vor dem Gesicht, denn was du sehen kannst, kannst du kontrollieren.

Abschließend: Was ist das Minimum, das jeder Trainer leisten kann – oder muss? 

Die Torhüter im Training im Blick haben und zu wissen, dass die meisten Torhüter die größten Defizite im Rahmen der Beinarbeit haben. Ihren Mut zu schulen, die Augen möglichst lange offen zu halten, denn umso länger ich den Ball sehe, umso länger werde ich die Möglichkeit haben, ihn zu haben. Und ich verspreche, dass man schnell Erfolge sehen wird. Gerade Vereine, bei denen Torhüter als Torwarttrainer in Jugendmannschaften gekommen sind, haben gute Fortschritte erzielt. Wenn du ehrgeizige Torhüter hast – und das sind die meisten Verrückten, die sich freiwillig ins Tor stellen – wollen sie sich auch verbessern und davon profitiert am Ende die ganze Mannschaft.

„Volle 60 Minuten“ mit Marcus Hurst und Mirko Krag

„Volle 60 Minuten“ mit Marcus Hurst und Mirko Krag

„Volle 60 Minuten“ mit Marcus Hurst und Mirko Krag

November 10, 2024| Marc Fasthoff

Achtung! Schon Morgen am 11.November findet eine neue Ausgabe unserer Online-Fortbildungsreihe „Volle 60 Minuten“ zum Tag des Schiedsrichters statt!

Rede und Antwort werden uns die Elitekader Schiedsrichter Marcus Hurst und Mirko Krag stehen.
Marcus und Mirko werden uns einen Einblick gewähren, wie sie Karriere gemacht haben und was sie dafür leisten müssen – ihr dürft euch auf einen offenen Austausch freuen.

Bringt also unbedingt eure Fragen mit!

🗓️ Montag, 11. November 2024

⏰ 19:00 bis 20:00 Uhr

📌 Der Link für alle Online-Vorträge von „Volle 60 Minuten“ bei » Zoom
Meeting-ID: 815 7660 8634 | Kenncode: 238128

Wir freuen uns auf viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

„Der Schiedsrichter ist selbst sein schärfster Kritiker.“ – Interview mit Kay Holm

„Der Schiedsrichter ist selbst sein schärfster Kritiker.“ – Interview mit Kay Holm

„Der Schiedsrichter ist selbst sein schärfster Kritiker.“ – Interview mit Kay Holm

November 1, 2024| Marc Fasthoff

Kay Holm ist als Leiter Lehre im Schiedsrichterwesen des Deutschen Handballbundes für die Weiterbildung der Unparteiischen zuständig. Der ehemalige Bundesliga-Schiedsrichter ist zudem als Delegierter bei Welt- und Europameisterschaften im Einsatz. Im Interview spricht er über die Denkweise von Schiedsrichtern und populäre Regel-Irrtümer, die ihm im Alltag immer wieder begegnen …

Kay, wenn du Trainern erklären müsstest, wie ein Schiedsrichter denkt: Was würdest du ihnen sagen?

Ein Schiedsrichter denkt: Ich will mein Bestes geben und ich will keinen Fehler machen. Schiedsrichter haben den Hang zum Perfektionismus. Das leben sie aus, Schiedsrichter kritisieren sich selbst am härtesten. Dass ein Trainer Fehler bei den Schiedsrichtern anmerkt und einfordert, diese zu erklären, ist daher oft nahezu wirkungslos, weil der Schiedsrichter das selbst tut. Der Schiedsrichter ist selbst sein schärfster Kritiker. Und, was man sagen muss …

Ja?

… ohne besserwisserisch klingen zu wollen: Schiedsrichter sind üblicherweise Experten auf ihrem Gebiet, genau wie Trainer in ihrem Bereich. Die Trainer formen Spieler und Mannschaften und erklären ihnen das Spiel und die Schiedsrichter kennen sich eben im Regelwerk besonders gut aus. Manchmal ist es leider das Manko, dass Schiedsrichter während des Spiels, ihre Arbeit jedoch nicht so gut erklären können, weil sie gerade in Action sind.

Wie meinst du das?

Schiedsrichter sprechen eine andere Sprache als Trainer, sie nutzen oft kurze Gesten anstatt Worte, denn das Spiel soll ja weitergehen. Und durch die andere Sprache verstehen sich die Beteiligten leider nicht immer und es entstehen Konflikte. Es bedarf guter Kommunikation und Verständnis für die Perspektive des Gegenüber. Hinzu kommt, dass es keine Zieldeckung gibt.

Keine Zieldeckung?

Fotoquelle: privat

Die beiden Trainer möchten jeweils das Spiel gewinnen, den Schiedsrichtern ist es egal, wer das Spiel gewinnt. Der Schiedsrichter will einfach fehlerfrei pfeifen. Der höchstmögliche Wert ist Neutralität. Im Volksmund werden Schiedsrichter oft genug als Unparteiische bezeichnet und das trifft es ganz gut.

Was folgt daraus für eine Empfehlung an die Trainer?

Wir kommen einen Schritt weiter, wenn die Trainer zu einem Perspektivwechsel bereit sind; wenn sie in der Lage sind, die Rollen-Perspektive des Schiedsrichters einzunehmen und mit seiner Brille die Spielleitung oder auch einzelne Entscheidung zu betrachten. Dazu kann es, ganz wörtlich betrachtet, auch gehören, sich die räumliche Perspektive bewusst zu machen. Der Schiedsrichter hat in der Regel eine ganz andere Position als der Trainer, einen anderen Blickwinkel, aus der er die Aktion bewertet. Als Trainer muss in der Lage sein, dies zu akzeptieren.

Wie sehr fordert ihr von euren Schiedsrichtern, sich umgekehrt in die Perspektive des Trainers zu versetzen?

Die Schiedsrichter müssen unbedingt in der Lage sein, das Spiel aus Sicht des Sportlers bzw. des Trainers zu sehen, das fordern wir von ihnen. Sie müssen ein Verständnis für das Spiel haben – und ebenso ein Verständnis, dass der Trainer aus seiner räumlichen Perspektive von der Bank aus die Dinge anders sieht – und vielleicht sogar durch den anderen Blickwinkel recht haben könnte. Wenn da gegenseitige Verständnis vorhanden ist, ist der Umgang leichter und nicht so konfliktträchtig.

Und als Schiedsrichter kann es durchaus mal helfen, sich eine Position an der Seitenlinie zu suchen und einen ähnlichen Blickwinkel wie der Trainer einzunehmen. Das sollte man bei der Suche nach der besten Position, um seine Entscheidung treffen zu können, nicht außer acht lassen.

Du arbeitest mit den Schiedsrichtern im Spitzenbereich. Was ist auf dieser Ebene der häufigste Wunsch, der von Trainern an euch herangetragen wird?

Das Thema Kommunikation ist gerade in aller Munde, gerade im Profibereich. Der Wunsch ist es, dass die Schiedsrichter das Spiel leiten, dass sie es managen, indem sie das Spiel zulassen und sich möglichst wenig einmischen, aber zugleich mit den Spielern zu sprechen und sich durch kurze, auch nonverbale Signale zu erklären. Das ist Leadership, das von unseren Schiedsrichtern verlangt wird: Spieler und Mannschaften mit Kommunikation durch ein Spiel zu begleiten und es dabei in Balance zu halten; auf beiden Seiten gerecht zu entscheiden und beide Mannschaften gleich zu behandeln.

Das ist jetzt sehr, entschuldige den Ausdruck, schwammig. Was sind konkrete Irrtümer, die dir immer wieder begegnen?

Da fällt mir direkt die „Doppelbestrafung“ ein. Der Begriff kommt oft von Trainern und auch von Fernsehkommentatoren und Experten. Ich möchte daher auch an dieser Stelle unbedingt klarstellen: Siebenmeter und Zeitstrafe sind keine Doppelbestrafung! Es sind zwei unterschiedliche Regeln, die von den Schiedsrichtern zur gleichen Zeit angewendet werden.

Der Siebenmeter ist ausschließlich dafür da, die Spielfortsetzung zu bestimmen. Wenn ein Spieler bei einer klaren Torgelegenheit regelwidrig am Wurf gehindert wurde, wird mit einem Siebenmeter weitergespielt; das Spiel wird auf diese Art und Weise fortgesetzt; so, wie es nach einem normalen Foul mit einem Freiwurf weitergeht. Wenn das Foul bei einer klaren Torgelegenheit so deftig war, dass es eine Strafe braucht – ob Zeitstrafe oder Disqualifikation – handelt es sich dabei um die persönliche Strafe für den foulenden Spieler. Dass ein Siebenmeter als zusätzliche Strafe gesehen wird, ist ein Irrtum, der immer wieder falsch im Sprachgebrauch auftaucht.

Die Erklärung klingt so routiniert, als hättest du sie schon öfter abgegeben …

Das ein oder andere Mal (lacht). Manchmal ist es echt abenteuerlich, welche Irrtümer oder Annahmen in den Köpfen verankert sind, selbst im Bundesligabereich.

Hast du noch ein Beispiel?

Das Zeitspiel. Der Name ist schon irreführend, weil es keine zeitliche Befristung für eine Angriff gibt. Es kommt ja vielmehr darauf an, was eine angreifende Mannschaft tut, um einen erfolgreichen Abschluss auf das Tor zu bekommen. Es kommt also auf die Aktivität an, nicht auf die Tatsche, ob das Team 30, 40 oder 50 Sekunden spielt. Es wird immer wieder von Tribünen oder Bänken gefordert: „Der Angriff läuft jetzt schon 45 Sekunden, das muss Zeit sein!“ Das lässt sich so pauschal nicht betrachten. Wenn die Abwehr das Spiel immer wieder durch Fouls unterbricht und die Angreifer dadurch gar nicht dazu kommen, ein Angriffsspiel aufzuziehen, ist die Forderung des passiven Vorwarnzeichens, weil der Angriff schon lange dauert, nicht durch das Regelwerk gedeckt. Entscheidend ist, ob die angreifende Mannschaft Willens und in der Lage  ist, ein Tor zu erzielen.

Das Gegen-Argument dürfte lauten: Abwehrarbeit muss doch aber belohnt werden …

Ja, regelgerechte Abwehrarbeit – und ein ständiges Festmachen mit Fouls ist keine regelgerechte Abwehrarbeit. Wir wollen beispielsweise ein gutes Verschieben und schnelle Beine belohnen. Wenn ich jedoch immer nur den Ballführer sofort klammere, dann ist das zwar Abwehrarbeit, aber keine regelgerechte Abwehrarbeit und auch kein passives Spiel. Auch Abwehr durch den Kreis ist oft ein Diskussionsthema.

Weil immer wieder der Siebenmeter gefordert wird?

Genau. Es heißt dann: „Das muss Siebenmeter sein, die Abwehr steht im Kreis.“ Es geht jedoch nicht allein um das Betreten der Linie oder des Torraums, sondern darum, zu erkennen, ob eine Spielsituation des Angreifers verhindert worden ist, indem sich der Abwehrspieler durch das Betreten einen Vorteil verschafft hat. Wenn es zu einem Zusammenprall kommt, wird oft Stürmerfoul moniert, aber die Schiedsrichter geben Siebenmeter, weil die Situation des Zusammenpralls nur entstehen konnte, weil sich der Abwehrspieler zuvor durch den Torraum bewegt hat.

Das ist aber auch eine der prädestinierten Fifty-Fifty-Entscheidungen …

Das stimmt. Es gibt aber auch Situationen, wo der Torraum betreten wird und es keinen Siebenmeter gibt – das ist das normale dynamische Verhalten im Rahmen des Handballspiels. Es prallen Körper aufeinander und dieser Kontakt ist auch erlaubt, aber wenn der Abwehrspieler durch diese Dynamik mit den Hacken auf der Linie steht, darf es keinen Siebenmeter geben, weil er dadurch keinen Vorteil hat. Es wäre trotzdem zu dieser Foulsituation gekommen wäre. Das ist ganz klar kein Vorteil, da gibt es einen Freiwurf. Das bloße Betreten der Linie genügt nicht für einen Siebenmeter

Wie frustrierend ist es aus Schiedsrichtersicht, dass einem immer wieder die Kompetenz abgesprochen wird?

Ich bin lange in diesem Bereich und kann nur sagen: Man lebt damit (schmunzelt). Je höher man unterwegs ist, umso größer ist oft eine gegenseitige Anerkennung und Wertschätzung gegeben. Und häufig wächst das Verständnis, wenn Trainer im Training selbst pfeifen (lacht). Mir haben Trainer danach schon öfter gesagt, dass selbst diese Viertelstunde im Training ganz schön schwierig ist und die Spieler mit dem pfeifenden Trainer über seine Entscheidungen diskutiert haben. Das ist ein wunderbarer Perspektivwechsel!

Worauf kommt es im Verhältnis zwischen Schiedsrichter und Trainer an?

Respekt und Anerkennung im gegenseitigen Austausch. Wenn man die Arbeit des anderen anerkennen und den anderen als Experten anerkennen kann, hilft das und macht das gegenseitige Feedback wertvoller. Ich kann auch Trainern unterhalb der Bundesliga nur empfehlen, den Austausch zu suchen und sich mit Fragen an Schiedsrichter oder Schiedsrichterwarte in ihrem Landesverband oder Verein zu wenden. Bundesligatrainer suchen den Kontakt auch immer wieder und stellen Fragen. Es geht um den Handballsport, das hilft allen.

Zum Abschluss eine Frage an den langjährigen Schiedsrichter-Experten: Stimmt eigentlich das Klischee, dass Schiedsrichter, die selbst noch spielen, am schwierigsten zu pfeifen sind?`

Ja, weil sie die Entscheidungen vorher wissen und versuchen, sie zu beeinflussen, bevor der Pfiff kommt.

Was?

(mit einem Augenzwinkern) Das ist die goldene Regel, das können sich auch die Trainer abspeichern. Die Entscheidung während des Spiels zu bemängeln, nachdem der Schiedsrichter gepfiffen hat, macht keinen Sinn. Da ist die Entscheidung gefallen und gute Schiedsrichter fallen nicht um. Sie nehmen daraus vielleicht etwas für die nächste Situation mit, aber die Entscheidung selbst bleibt bestehen; den Videobeweis an dieser Stelle bewusst ausgeklammert, es geht um normale Entscheidungen. Wenn du jedoch einen Schiedsrichter als Spieler auf dem Feld hast, macht er seine Bemerkung vor dem Pfiff in der Hoffnung, dadurch einen für die eigene Mannschaft positiven Einfluss auf die Entscheidung zu nehmen. Das macht es so schwierig, als Schiedsrichter einen anderen Schiedsrichter zu pfeifen, weil er weiß, wie du denkst (lacht).

„Volle 60 Minuten“ mit Frank Böllhoff

„Volle 60 Minuten“ mit Frank Böllhoff

„Volle 60 Minuten“ mit Frank Böllhoff

Oktober 16, 2024| Marc Fasthoff

Im Oktober geht es nach der Sommerpause weiter mit unserem Angebot „Volle 60 Minuten“ 😊
Zu Gast zum Interview wird Frank Böllhoff aus dem Lehrstab des Deutschen Handballbundes sein.
Der ehemalige Bundesliga Schiedsrichter und jetzt Verantwortliche des DHB-Schiedsrichter-Portals wird am 21. Oktober (19 bis 20 Uhr) einen tiefen Einblick in das DHB-Schiedsrichter-Portal und die regeltechnischen Klarstellungen zur Saison 2024/25 geben – ihr dürft euch auf einen offenen Austausch freuen. Bringt also unbedingt eure Fragen mit!

📆Montag, 21. Oktober

⏰19:00 bis 20:00 Uhr

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Wir freuen uns auf viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

„Ein junger Spieler darf keine Angst haben, Fehler zu machen.“ Interview mit Jan Redmann

„Ein junger Spieler darf keine Angst haben, Fehler zu machen.“ Interview mit Jan Redmann

„Ein junger Spieler darf keine Angst haben, Fehler zu machen.“ Interview mit Jan Redmann

September 20, 2024| Marc Fasthoff

Der Schritt vom Jugend- in den Erwachsenenbereich ist oft ein Knackpunkt.  Was muss ein junger Spieler mitbringen, damit der Schritt möglichst gut gelingt? Worauf kommt es in der Anschlussförderung an? Und worauf kommt es beim Blick auf den Trainer an? Jan Redmann stand sieben Jahre bei Männer-Drittligist HSG Rodgau Nieder-Roden an der Seitenlinie und wechselte in diesem Sommer auf den Posten des Jugendkoordinators. Im Interview spricht der A-Lizenz-Inhaber über seine Erfahrungen und verrät das Kriterium, auf das er bei Jugendspielern besonders achtete …

Jan, worauf kommt es beim Schritt aus dem Jugend- in den Erwachsenenbereich an? Oder, anders formuliert: Was muss der junge Spieler mitbringen, um den Schritt so erfolgreich wie möglich zu meistern?

Es gibt aus meiner Sicht drei Grundkomponenten: Motivation, Körper und Talent – und wenn ein Spieler zwei von diesen drei Dingen mitbringt, hat er die Möglichkeit, hochklassig zu spielen. Und zwei der drei Dinge kann er selbst durch intrinsische Motivation generieren. Vielleicht – das hört sich bei meinem Alter blöd an – ist es ein bisschen alte Schule, aber durch Fleiß, den passenden Trainer und gutes Zuhören kann ein Spieler schon viel machen.

Wille schlägt Talent, wie man so schön sagt?

Ich glaube, dass Wille wichtiger ist als Talent. Wir haben viele talentierte Jungs, die jedoch manchmal nicht den notwendigen Willen mitbringen. Ich habe in den letzten Jahren beide Seiten kennengelernt; ich habe mit Jugendlichen und Erwachsenen gearbeitet, mit einer jungen Mannschaft in der 3. Liga. Am Ende ist es so, dass der Einsatz, die Motivation und der Wille in dem Sinne Talent schlagen, dass sie viel nicht-vorhandenes Talent ausgleichen können.

Inwiefern hilft es so einem Spieler, dass er schon im Jugendbereich gelernt hat, sich mehr anzustrengen, als vielleicht das Talent, das durch den Jugendbereich „geflogen“ ist?

Wir kennen es alle aus unserem Leben, dass es nicht gut ist, wenn es immer anstrengend ist. Wenn man jederzeit kämpfen muss, ist das auch nicht sinnvoll – man muss auch spüren, dass man Erfolge erzielt. Ganz ohne Talent geht es daher auch nicht; man braucht das Gefühl für das Spiel. Wenn man beides hat – Wille in Verbindung mit Talent – kann das ganz viel ermöglichen.

Aus Trainer-Perspektive: Worauf hast du bei einem Jugendspieler geachtet, wenn er zu dir in die Drittligamannschaft gekommen ist?

Heutzutage ist die Handlungs- und Entscheidungskompetenz immer entscheidender. Wenn man in der Lage ist, in unserem Spiel die richtige Entscheidung zum richtigen Zeitpunkt zu treffen, hat man viele Möglichkeiten. Es war ein entscheidendes Kriterium für mich, ob ein Spieler diese Fähigkeit hat – im Angriff und/oder in der Abwehr. Körperlich kann man sich alles erarbeiten, man kann viel Wille zeigen, aber diese Fähigkeit kann man sich nicht antrainieren und daher gucke ich zuerst darauf.

Magst du noch kurz erläutern, warum das so entscheidend ist?

Manche nennen dieses Können auch Spielfähigkeit. Es geht darum, in der richtigen Situation die richtige Entscheidung treffen zu können. Das geht am besten, wenn man verschiedene Fähigkeit beherrscht – alle Arten von Würfen, alle Arten von Täuschungen und seine Skills im Abwehrverhalten. Wenn ich perfekt aus meine Portfolio die richtige Maßnahme auswähle, kreiert das die entscheidenden Momente.

Sprich: Es ist schon in der Jugendausbildung wichtig, dass man den Spielern ein breites Spektrum vermittelt – und der große Spieler nicht nur lernt, sich auf seine Größe zu verlassen, weil es gerade funktioniert?

Das ist das Schöne, was wir in den letzten drei, vier Jahren erkannt haben: Die Größe ist längst kein alleiniges Kriterium mehr für die Qualität eines Spielers. Mathias Gidsel als aktueller Welthandballer ist kein 2,05-Meter-Linkshänder im rechten Rückraum, sondern hat überragende technische Fähigkeiten. Er hat ein unglaubliches Eins-gegen-Eins-Verhalten und einen fantastischen Blick für den Raum. Er zeigt, dass inzwischen eine andere Körperlichkeit gefragt – denn ich will ihm Fitness und körperliche Stärke nicht absprechen; die braucht er, um sein Pensum zu leisten – ist als die frühere Körperlichkeit, die Körperlänge entsprach.

Das spricht für genau die gewünschte Vielseitigkeit in der Ausbildung …

Seine Vielseitigkeit ist brutal! Diese Art von technischer Ausbildung ist das, was die skandinavischen Spieler uns teilweise noch voraushaben. Ich glaube jedoch, dass wir im Deutschen Handballbund gute Schritte in der Entwicklung machen.

Lass uns über die Fähigkeiten eines Spielers hinausblicken: Wie wichtig ist der Trainer in der Anschlussförderung?

Der Aktiventrainer kann das entscheidende Kriterium für Karriere sein. Gerade, wenn wir über das höhere bzw. höchste Leistungsniveau sprechen, ist es am Ende des Tages der Trainer, der entscheidet, ob er einen jungen Spieler spielen lässt oder nicht. Ich würde mir wünschen, dass sich viel mehr Trainer genau das trauen.

Inwiefern?

Ich glaube, dass wir in Deutschland sehr viele gute Talente haben, die manchmal verschwinden, weil wir Trainer uns eben nicht trauen, diese Talente spielen zu lassen. Natürlich haben wir Drucksituationen, aber ich frage mich: Kann ein junger Spieler wirklich so viel kaputt machen in so kurzer Zeit? Wir sehen es oft, dass junge Spieler durch Verletzungen auf einen Platz rutschen und diese Rolle auch ausfüllen können, sodass ihr Stern aufgeht, der sonst vielleicht nie aufgegangen wäre.

Das sehen wir auch am Beispiel Renars Uscins in der Nationalmannschaft. Er hat im Spiel um Platz 3 bei der Europameisterschaft, als Kai Häfner nicht da war, gezeigt, das er auf diesem Niveau spielen kann, hat es bei Olympia-Quali bewiesen – und ist jetzt der Hoffnungsträger. Ich glaube, dass wir uns als Trainer mehr trauen müssen.

Welche Rolle fällt dabei gerade den Trainern der Drittligisten zu, die sich auf der Grenze zwischen Leistungs- und Amateursport bewegen?

Ich möchte das gar nicht auf eine Liga beziehen, denn wir haben in jeder Liga in Deutschland Mannschaften, die in einem – ich nenne es mal – grauen Mittelfeld schwimmen und für die weder Auf- noch Abstieg ein Thema ist. Diese Mannschaften könnten junge Leute noch mehr einsetzen und da ist die 3. Liga sicherlich auch ein Teil davon. Wir haben viele etablierte Drittligisten, die natürlich immer Punkte sammeln wollen, die aber auch jungen Leute das Vertrauen schenken können, weil sie am Ende nicht absteigen werden.

Wie sieht das bei euch – der HSG Rodgau Nieder-Roden – aus?

Wir wollen das weitermachen, was wir bereits in den vergangenen Jahren gemacht haben. Wir haben eine extrem junge Mannschaft; letzte Saison lag der Altersdurchschnitt bei 22,1 Jahren und dieses Jahr dürften wir uns noch einmal verjüngt habe, da in Marco Rhein einer unser Routiniers aufgehört hat und noch einmal zwei, drei junge Spieler dazugekommen sind. Wir bekommen es gut hin, aus eigener Nachwuchsarbeit die Talente zu ziehen. Das ist sicherlich auch finanziell begründet, aber wir haben auch Lust dazu, es genau so umzusetzen. Es klappt natürlich nicht mit jedem Jugendspieler, aber wir stehen mit Überzeugung hinter diesem Konzept.

Wie schwierig ist es, wenn man schon im Jugendbereich Spielern sagen muss, dass es in Richtung Jugendbundesliga eher nicht reicht?

Das ist eine ehrlich Aussage und hilft manchmal mehr, als irgendjemanden mitzutragen und ihm den Glauben zu geben, er könnte das schaffen, obwohl man das selbst nicht sieht. Dann soll dieser Spieler lieber eine Liga tiefer, aber dort erfolgreich spielen – und so öffnet sich zugleich die Tür für jemanden anderen, den man talentierter sieht. Wenn wir einen Spieler finden, in dem wir letztendlich einen Drittligahandballer sehen, wollen wir ihm das auch vermitteln. Wir sagen dann: Wir wissen, dass es oft ein steiniger Weg ist, aber wir haben Geduld und schenken dir diese, denn wir vertrauen dir. Vertrauen und Ehrlichkeit sind in dem Prozess ganz wichtig.

Was führt dazu, dass ein Spieler diesen Schritt schaffen wird?

Er darf nicht die Geduld, nicht den Mut verlieren – und er sollte demütig sein, ohne die Frechheit eines jungen Spielers zu verlieren. Er muss sich schon etwas trauen. Und er braucht die Bereitschaft, von älteren Spieler zu lernen und zugleich das Glück, ältere Spieler in der Mannschaft zu haben, die ihn auch führen wollen.

Wenn du sagst, er dürfte nicht die Geduld verlieren: Wie lange kann oder darf sich ein Spieler Zeit lassen?

Ich kann nicht sagen, dass es immer ein, zwei oder drei Jahre sind, denn das hängt auch immer vom Spieler ab. Der talentierte Spieler braucht vielleicht weniger Zeit, wenn er den notwendigen Willen mitbringt und der mit mehr Willen braucht trotzdem ein bisschen länger, weil er weniger Talent hat und es sich erarbeiten muss. Das, worauf es ankommt, ist einfach: Ehrliche Kommunikation! Man kann als Spieler das Gespräch mit dem Trainer suchen und fragen: Lohnt sich meine Geduld noch – oder nicht? Da ist der Trainer dann gefordert, auch ehrlich zu sein und ggf. eben zu sagen: Ich glaube nicht, dass du es noch schaffst – versuch es lieber eine Liga tiefer.

Du sprichst sehr viel von Ehrlichkeit …

So ein offener und ehrlicher Prozess ist einfach wichtig – gerade dem Spieler gegenüber. Es kann sein, dass ein Spieler unter einem anderen Trainer doch noch diese Karriere macht, aber es an dieser Stelle – mit diesem Trainer, in dieser Mannschaft oder in der Situation des Vereins – einfach nicht passt. Daher muss sich jeder Trainer und jede sportliche Leitung überlegen: Sind wir ehrlich zu unseren Spielern? Und der Spieler muss sich fragen: Bin ich ehrlich zum Verein oder will ich eigentlich etwas anderes? Wenn beide jedoch ehrlich sind und es passt, kann man gemeinsam eine sportliche Perspektive aufbauen.

Was für ein Ratschlag hättest du für Trainer an dieser Stelle noch?

Es ist wichtig, immer Motivation zu vermitteln und ein offenes Ohr zu haben, dem Spieler zuhören können. Ich bin zudem überzeugt, dass man einem jungen Spieler vermitteln sollte, dass er auf dem Feld auch einen oder auch zwei Fehler machen darf und Feedback dazu nichts schlimmes ist. Ein junger Spieler darf keine Angst haben, Fehler zu machen. Das ist enorm wichtig. Ich glaube, diese Angst, Fehler zu machen, hemmt viele junge Spieler, weil sie auf dem Feld dann lieber nichts ausprobieren, um nur ja nicht ausgewechselt zu werden.

Wie bist du damit umgegangen?

Ich habe versucht, den Spielern das Gefühl zu vermitteln: Mach etwas, denn es ist meine Aufgabe, einzuschätzen, was dann überwiegt – die Gefahr, das mich das gerade Ergebnis kosten könnte oder die Erfahrung, die der junge Spieler gerade sammelt. Außerdem halte ich es für wichtig, dass junge Spieler nicht nur am Ende auf das Feld kommen, wenn das Spiel schon entschieden ist, sondern dass sie auch die Möglichkeit bekommen, wichtige Entscheidungen zu treffen. Das trägt sie enorm weiter, denn manchmal ist ein junger Spieler genau derjenige, der dem Druck stand hält, weil er sich  keinen Kopf macht – oder er lernt eben, was seine Entscheidungen für Konsequenzen hat.

Zum Abschluss: Du hast dich von der Trainerbank in der 3. Liga zurückgezogen, um Jugendkoordinator zu werden. Was macht für dich den Reiz an deiner neuen Aufgabe aus?

Junge Menschen weiterzubilden und in den Handball zu bringen: Das begleitet mich schon meine ganze Trainerkarriere und auch auf meinen anderen Stationen. Der Verein lebt diese Philosophie und wir sind, das will ich auch nicht verhehlen, stolz auf jedes Talent, was den Schritt in die 3. Liga geht oder vielleicht auch den nächsten Schritt macht.

Außerdem freue ich mich, dass ich aus dem Hamsterrad rausgekommen bin, jeden Tag selbst ins Training gehen zu müssen und stattdessen meine Erkenntnisse und mein Wissen an meine jungen Trainer weitergeben kann. Ich habe ganz gezielt auch junge Trainer gesucht und sie machen es sensationell gut. Ich genieße den Austausch, von dem alle profitieren – sie lernen von mir, aber ich gewinne auch neue Ansichten von ihnen.