„Niemand muss jedes Training den Handball neu erfinden.“ – Interview mit Malte Grintz
„Niemand muss jedes Training den Handball neu erfinden.“ – Interview mit Malte Grintz
10. Dezember 2025| Marc Fasthoff
Malte Grintz erreicht über seinen Kanal handballhacks jeweils mehr als 10.000 Abonnenten bei Instagram und Youtube. Insgesamt hatten seine Clips auf der Videoplattform in den vergangenen fünf Jahren über drei Millionen Aufrufe.
Der B-Lizenz-Inhaber, der von Mini- bis zu Männermannschaften in allen Altersklassen aktiv war, will anderen Trainern mit seinen Videos neuen Input geben und Wissen vermitteln. Im Interview spricht er über Improvisation bei der Trainingsplanung sowie die Bedeutung von Spaß im Training und verrät die Frage, die ihm am häufigsten gestellt wird…
Malte, die meisten Trainer abseits des Profihandballs sind nicht in Vollzeit Trainer, sondern gehen der Aufgabe im Ehrenamt zwischen Familie, Beruf und sonstigen Verpflichtungen nach. Da kommt, so ehrlich muss man sein, die Trainingsvorbereitung manchmal zu kurz. Was würdest du den Trainern sagen, die auf dem Weg zum Training denken: Was mache ich denn heute nur in der Einheit?
Wenn ich gar nichts für das Training vorbereitet habe, würde ich aus dem Stegreif auf die Sachen zurückgreifen, von denen ich weiß, dass sie meiner Mannschaft in der Vergangenheit Spaß gemacht haben. Ich bin überzeugt: Aus ein Training, was der Mannschaft Spaß macht – selbst, wenn wir keinen gut ausgearbeiteten Schwerpunkt haben – werden die Spieler trotzdem etwas mitnehmen – und sei es nur, dass die Stimmung gut ist. Das ist viel, viel besser, als sich auf Zwang und unter Zeitdruck im Auto noch ein vermeintlich tolles oder anspruchsvolles Programm auszudenken, denn oft funktionieren die Übungen nicht, es macht keinen Spaß und das wirkt sich negativ auf die Stimmung aus.
Ohne zu wissen, was einer Mannschaft konkret Spaß macht: Wie würdest du die Einheit angehen?
Ich würde überlegen, welches Aufwärmspiel meine Spieler gerne machen: Womit habe ich super Erfahrung gemacht? Und dann würde ich probieren, diesen Flow durch spaßige bzw. spielerische Übungen beizubehalten. Viele Zweikämpfe, viel kreatives Spiel, viele Torwürfe machen einer Mannschaft in der Regel immer Spaß. Insofern würde ich auf Grundübungen nahezu komplett verzichten und stattdessen in Grundspiele gehen, 2:2, 3:3 oder 4:4.
Und vor allem: Sich als Trainer nicht selbst unter Druck setzen oder Selbstvorwürfe machen?
Das ist ein sehr guter Punkt. Die meisten Trainer machen es eben – wie du eingangs gesagt hast – nicht in Vollzeit, sondern bekommen eine Aufwandsentschädigung von vielleicht 50 oder 100 Euro im Monat und fahren oft direkt vom Job ins Training. Jeder Trainer, der bereit ist, sich unter diesen Bedingungen in die Halle zu stellen, ist erst einmal gut für die Spieler und den Handball, denn er ist der Grund, dass seine Mannschaft überhaupt Training bekommt und am Spielbetrieb teilnehmen kann. Dass man dann auch mal nicht topvorbereitet ist, ist überhaupt nicht schlimm – das ist ja in der Regel kein Dauerzustand.
Für Anfänger, die ja oft extrem hohe Ansprüche haben – ähnlich wie neue Schiedsrichter, die bloß keinen Fehler machen wollen – dürfte es eine Beruhigung sein, wenn sie merken: Jeder Trainer ist mal nicht vorbereitet …
Hundertprozentig, das ist mir auch passiert. Je erfahrener man als Trainer wird, desto weniger schlimm wird das im Einzelfall, weil man mehr Sachen abgespeichert hat, die man aus dem Hut zaubern kann. Die Kinder und Jugendliche und auch viele Erwachsene im Amateurbereich kommen zum Handball, weil sie Spaß haben wollen – und wenn sie Spaß haben, ist erst einmal alles gut. Alles andere ist ein Bonus obendrauf.
Da würde dir so manch ambitionierter Trainer wahrscheinlich widersprechen …
Ich würde es dem ambitionierten Trainer, der hohe Ziele erreichen will, auch weniger verzeihen, wenn er sein Training nicht vorbereitet. Wer aufsteigen will bzw. soll oder vom Verein verpflichtet wurde und entsprechend einen Vertrag besitzt, der sollte natürlich andere Ansprüche an sich selbst haben – und die Ansprüche erfüllen, die vom Verein an ihn gestellt werden.
Im Gegensatz dazu haben Trainer an der Basis oft keine Lizenz, es ist ein Learning by Doing, vielleicht sind es sogar Eltern ohne große Handballerfahrung, die helfen wollen. Was würdest ihnen in Punkto Trainingsplanung mitgeben?
Ich würde an dieser Stelle gerne zwischen Kinderhandball und dem Handball ab der C- oder B-Jugend unterscheiden. In den Kinderhandball gehören für mich ganz, ganz, ganz viele Spielformen. Gib den Kindern am Anfang Zeit zum Toben, mach Spiele mit und ohne Ball, sorge für viel Bewegung und Spaß. Dabei ist es sinnvoll, Übungs- und Spielblöcke abzuwechseln. Wenn ich zehn Minuten gespielt habe, mache ich zehn Minuten eine Technikübung, wo die Kinder sich verbessern können – und dann wieder ein Spiel, wo die Technik aus der Übungsphase angewendet wird.
Und im Handball ab der C- oder B-Jugend?
Auch da würde ich mit einem Aufwärmspiel starten, dann vielleicht eine Pass-, Koordinations- oder Athletikübung einbauen – und dann gehört zu jeder Einheit für mich eine Torwartübung dazu. Die Feldspieler können auch im Jugendbereich schon für den Torwart arbeiten, sie müssen lernen, dass der Torwart ein superwichtiger Teil ist und sie eben nicht immer nur im Training einfach werfen können, weil jemand hintendrin steht, sondern dass man sich auch um ihn kümmern muss. Danach geht es dann in den Schwerpunkt, wobei sich auch hier Spiel- und Übungsblöcke abwechseln können.
Was durchklingt, unabhängig von der Altersklasse: Auf jeden Fall für Abwechslung sorgen, ja?

Wir wollen wiederholen, ohne zu wiederholen. Das Sprichwort dürften viele Trainer kennen; ich weiß gar nicht, von wem ich es gelernt habe. Denn selbst, wenn wir thematisch öfter den gleichen Schwerpunkt setzen, wir wollen ihn möglichst immer ein bisschen anders angehen. Die Spieler sollen nicht wissen, was genau passiert, wenn sie in die Halle kommen. Wenn es immer der gleiche Ablauf mit den gleichen Übungen ist, sinkt der Spaßfaktor. Im Idealfall wollen wir die Spieler bei jeder Einheit ein bisschen überraschen.
Womit hast du deine Spieler mal am meisten überrascht?
Ich habe eine A-Jugend trainiert, wir haben damals in der Oberliga oben mitgespielt. Wir hatten auswärts ein Spitzenspiel bei der einzigen Mannschaft, die ohne Harz gespielt hat. Meine Spieler hatten null Bock, sie haben sich vorher schon beschwert, dass die Bälle schlecht fliegen und haben sich ausgemalt, dass sie ja ohne Harz auf jeden Fall verlieren.
Mit dieser Mannschaft hatten wir ein wöchentliches Athletiktraining in einer kleinen Halle, wo wir auch nicht harzen durften. Dort haben wir immer Hockey zum Aufwärmen gespielt. Ich habe die Schläger und unseren weichen Ball, mit dem wir das gespielt haben, mit zum Spitzenspiel nach Münster genommen und meine Jungs vor dem Spiel 20 Minuten Hockey spielen lassen, bevor das normale Aufwärmen gestartet ist. Das war eine geile Aktion, die Gegner waren verwirrt und meine Mannschaft war happy. Das hat den ganzen Druck rausgenommen und wir haben eins unserer besten Spiele gemacht.
In einer anderen Mannschaft haben wir immer mal wieder Traumreisen, geführte Meditationen oder einfach Geschichten vorgelegen zum Cool Down am Ende der Trainingszeit.
Wenn du sagst, dass man als Trainer die Spieler immer ein bisschen überraschen möchte: Wie kreativ muss ein Trainer sein?
Ich würde gar nicht behaupten, dass Trainer so kreativ sein müssen. Viele Trainer sagen, dass es ihnen schwer fällt, sich neue Übungen auszudenken oder neuen Input brauchen, aber sie gehen das Thema Kreativität aus meiner Sicht falsch an. Sich vor ein leeres Blatt zu setzen und eine komplett neue Übung zu schreiben, ist nicht notwendig.
Sondern?
Vielen Trainern wird es leichter fallen, kreativ zu arbeiten, wenn sie sich etwas nehmen, was sie bereits kennen und das so variieren, dass es zu ihrer Mannschaft und ihrem Schwerpunkt passt. Man kann durch Vorbelastung, Nachfolgebelastung, verschiedene Auftakthandlungen ganz neue Übungen auf bekannter Basis bauen. Es lassen sich auch aus verschiedenen Übungen einzelne Dinge herausziehen und zu einer neuen Form zusammenbauen. Niemand muss jedes Training den Handball neu erfinden.
Hast du das Gefühl, dass das die Erwartung von Trainern an sich selbst ist?
Ich hatte häufiger Gespräche mit Trainern, die mich vor ihrer Lehrprobe in der C-Lizenz um Hilfe gebeten haben und wollten, dass ich über ihren Entwurf schaue. Ein Muster, das sich dabei wiederholt hat: Die Trainern wollten ein Übungsfeuerwerk abfeuern, dabei ist das gar nicht notwendig. Die Übungen müssen einfach nur ihren Zweck erfüllen und zum Schwerpunkt passen – und den Spielern Spaß machen!
Trainer wenden sich über deine Kanäle immer noch mit Fragen an dich, du merkst so, was sie beschäftigt. Was ist die Frage, die am häufigsten gestellt wird?
Neben den Nachfragen, welche ich Übungen ich zu einem konkreten Thema habe, kommt eine Frage fast jede Woche: Mein Spieler ist im Training supergut, aber kann das im Spiel nicht abrufen. Was soll ich machen? Da sage ich dann meistens: Das Training ist vermutlich nicht spielnah genug ist. Die Spieler müssen im Training unter ähnliche Druckbedingungen gesetzt werden wie im Spiel. Im Training ist die Abwehr beispielsweise häufig passiver als im Spiel. So hat mein Spieler im Training zwei Sekunden für die Entscheidung, im Spiel aber nur eine halbe Sekunde und das schon unter Körperkontakt. Wenn wir die Intensität und die Druckbedingungen jedoch anpassen, werden die Angreifer lernen, sich durchzusetzen – und können dann auch im Spiel gut agieren.
Abschließend: Was ist deine Motivation? Warum entscheidet man sich, Trainer von Trainern zu werden?
Nachdem ich meine B-Lizenz gemacht hatte, war ich in der Trainerausbildung tätig. Mich hat es aufgeregt, wie wenig Fort- und Weiterbildungen es gibt – und wenn es welche gibt, muss man noch das Glück haben, dass man a) an dem Termin Zeit hat und b) sie räumlich in der Nähe sind. Daher habe ich angefangen, Videos bei Youtube hochzuladen. Ich bin vielleicht nicht der beste Trainer, aber ich habe zumindest ein bisschen Wissen, dass ich weitergeben wollte – gerade für die Einsteiger, die Neulinge, die Handball-Eltern. Denn nicht jeder hat die Zeit und das Geld, 120 Einheiten für die C-Lizenz zu absolvieren, aber 15 Minuten am Abend, um sich ein Youtube-Video anzugucken, das hat jeder. Der Bedarf war riesig und so hat es sich entwickelt – ich habe neben Übungen nach und nach auch Trainingseinheiten, Fortbildungen und Videokurse angeboten und inzwischen ist das mein Job.
Es gibt inzwischen gerade auf Social Media verschiedenste Kanäle, die Übungen und Videoclips veröffentlichen. Was wäre dein Ratschlag an junge und noch unerfahrene Trainer, die sich Input holen wollen, worauf sie dabei achten sollten?
Macht einen Unterschied zwischen Personen und Accounts. Wenn es eine Person ist, die einen Account betreibt – und da gibt es viele gute Leute – kann man sich wirklich super inspirieren lassen. Man folgt in diesem Fall einer Person, deren Übungen einem gefallen und wo einem die Philosophie gefällt – man bekommt oft auch Erklärungen und weiß, in welchem Kontext die Übungen stehen. Das weiß man bei anonymen Handball-Accounts, die einfach massenhaft Content rausballern von verschiedensten Mannschaften nicht; da kann man nicht sicher sein, wer dahintersteckt oder warum diese Übung gemacht wird. Von solchen Kanälen würde ich mich fern halten, sondern lieber echten Personen folgen.



