„Volle 60 Minuten“ mit Marcus Hurst und Mirko Krag

„Volle 60 Minuten“ mit Marcus Hurst und Mirko Krag

„Volle 60 Minuten“ mit Marcus Hurst und Mirko Krag

November 10, 2024| Marc Fasthoff

Achtung! Schon Morgen am 11.November findet eine neue Ausgabe unserer Online-Fortbildungsreihe „Volle 60 Minuten“ zum Tag des Schiedsrichters statt!

Rede und Antwort werden uns die Elitekader Schiedsrichter Marcus Hurst und Mirko Krag stehen.
Marcus und Mirko werden uns einen Einblick gewähren, wie sie Karriere gemacht haben und was sie dafür leisten müssen – ihr dürft euch auf einen offenen Austausch freuen.

Bringt also unbedingt eure Fragen mit!

🗓️ Montag, 11. November 2024

⏰ 19:00 bis 20:00 Uhr

📌 Der Link für alle Online-Vorträge von „Volle 60 Minuten“ bei » Zoom
Meeting-ID: 815 7660 8634 | Kenncode: 238128

Wir freuen uns auf viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

„Der Schiedsrichter ist selbst sein schärfster Kritiker.“ – Interview mit Kay Holm

„Der Schiedsrichter ist selbst sein schärfster Kritiker.“ – Interview mit Kay Holm

„Der Schiedsrichter ist selbst sein schärfster Kritiker.“ – Interview mit Kay Holm

November 1, 2024| Marc Fasthoff

Kay Holm ist als Leiter Lehre im Schiedsrichterwesen des Deutschen Handballbundes für die Weiterbildung der Unparteiischen zuständig. Der ehemalige Bundesliga-Schiedsrichter ist zudem als Delegierter bei Welt- und Europameisterschaften im Einsatz. Im Interview spricht er über die Denkweise von Schiedsrichtern und populäre Regel-Irrtümer, die ihm im Alltag immer wieder begegnen …

Kay, wenn du Trainern erklären müsstest, wie ein Schiedsrichter denkt: Was würdest du ihnen sagen?

Ein Schiedsrichter denkt: Ich will mein Bestes geben und ich will keinen Fehler machen. Schiedsrichter haben den Hang zum Perfektionismus. Das leben sie aus, Schiedsrichter kritisieren sich selbst am härtesten. Dass ein Trainer Fehler bei den Schiedsrichtern anmerkt und einfordert, diese zu erklären, ist daher oft nahezu wirkungslos, weil der Schiedsrichter das selbst tut. Der Schiedsrichter ist selbst sein schärfster Kritiker. Und, was man sagen muss …

Ja?

… ohne besserwisserisch klingen zu wollen: Schiedsrichter sind üblicherweise Experten auf ihrem Gebiet, genau wie Trainer in ihrem Bereich. Die Trainer formen Spieler und Mannschaften und erklären ihnen das Spiel und die Schiedsrichter kennen sich eben im Regelwerk besonders gut aus. Manchmal ist es leider das Manko, dass Schiedsrichter während des Spiels, ihre Arbeit jedoch nicht so gut erklären können, weil sie gerade in Action sind.

Wie meinst du das?

Schiedsrichter sprechen eine andere Sprache als Trainer, sie nutzen oft kurze Gesten anstatt Worte, denn das Spiel soll ja weitergehen. Und durch die andere Sprache verstehen sich die Beteiligten leider nicht immer und es entstehen Konflikte. Es bedarf guter Kommunikation und Verständnis für die Perspektive des Gegenüber. Hinzu kommt, dass es keine Zieldeckung gibt.

Keine Zieldeckung?

Fotoquelle: privat

Die beiden Trainer möchten jeweils das Spiel gewinnen, den Schiedsrichtern ist es egal, wer das Spiel gewinnt. Der Schiedsrichter will einfach fehlerfrei pfeifen. Der höchstmögliche Wert ist Neutralität. Im Volksmund werden Schiedsrichter oft genug als Unparteiische bezeichnet und das trifft es ganz gut.

Was folgt daraus für eine Empfehlung an die Trainer?

Wir kommen einen Schritt weiter, wenn die Trainer zu einem Perspektivwechsel bereit sind; wenn sie in der Lage sind, die Rollen-Perspektive des Schiedsrichters einzunehmen und mit seiner Brille die Spielleitung oder auch einzelne Entscheidung zu betrachten. Dazu kann es, ganz wörtlich betrachtet, auch gehören, sich die räumliche Perspektive bewusst zu machen. Der Schiedsrichter hat in der Regel eine ganz andere Position als der Trainer, einen anderen Blickwinkel, aus der er die Aktion bewertet. Als Trainer muss in der Lage sein, dies zu akzeptieren.

Wie sehr fordert ihr von euren Schiedsrichtern, sich umgekehrt in die Perspektive des Trainers zu versetzen?

Die Schiedsrichter müssen unbedingt in der Lage sein, das Spiel aus Sicht des Sportlers bzw. des Trainers zu sehen, das fordern wir von ihnen. Sie müssen ein Verständnis für das Spiel haben – und ebenso ein Verständnis, dass der Trainer aus seiner räumlichen Perspektive von der Bank aus die Dinge anders sieht – und vielleicht sogar durch den anderen Blickwinkel recht haben könnte. Wenn da gegenseitige Verständnis vorhanden ist, ist der Umgang leichter und nicht so konfliktträchtig.

Und als Schiedsrichter kann es durchaus mal helfen, sich eine Position an der Seitenlinie zu suchen und einen ähnlichen Blickwinkel wie der Trainer einzunehmen. Das sollte man bei der Suche nach der besten Position, um seine Entscheidung treffen zu können, nicht außer acht lassen.

Du arbeitest mit den Schiedsrichtern im Spitzenbereich. Was ist auf dieser Ebene der häufigste Wunsch, der von Trainern an euch herangetragen wird?

Das Thema Kommunikation ist gerade in aller Munde, gerade im Profibereich. Der Wunsch ist es, dass die Schiedsrichter das Spiel leiten, dass sie es managen, indem sie das Spiel zulassen und sich möglichst wenig einmischen, aber zugleich mit den Spielern zu sprechen und sich durch kurze, auch nonverbale Signale zu erklären. Das ist Leadership, das von unseren Schiedsrichtern verlangt wird: Spieler und Mannschaften mit Kommunikation durch ein Spiel zu begleiten und es dabei in Balance zu halten; auf beiden Seiten gerecht zu entscheiden und beide Mannschaften gleich zu behandeln.

Das ist jetzt sehr, entschuldige den Ausdruck, schwammig. Was sind konkrete Irrtümer, die dir immer wieder begegnen?

Da fällt mir direkt die „Doppelbestrafung“ ein. Der Begriff kommt oft von Trainern und auch von Fernsehkommentatoren und Experten. Ich möchte daher auch an dieser Stelle unbedingt klarstellen: Siebenmeter und Zeitstrafe sind keine Doppelbestrafung! Es sind zwei unterschiedliche Regeln, die von den Schiedsrichtern zur gleichen Zeit angewendet werden.

Der Siebenmeter ist ausschließlich dafür da, die Spielfortsetzung zu bestimmen. Wenn ein Spieler bei einer klaren Torgelegenheit regelwidrig am Wurf gehindert wurde, wird mit einem Siebenmeter weitergespielt; das Spiel wird auf diese Art und Weise fortgesetzt; so, wie es nach einem normalen Foul mit einem Freiwurf weitergeht. Wenn das Foul bei einer klaren Torgelegenheit so deftig war, dass es eine Strafe braucht – ob Zeitstrafe oder Disqualifikation – handelt es sich dabei um die persönliche Strafe für den foulenden Spieler. Dass ein Siebenmeter als zusätzliche Strafe gesehen wird, ist ein Irrtum, der immer wieder falsch im Sprachgebrauch auftaucht.

Die Erklärung klingt so routiniert, als hättest du sie schon öfter abgegeben …

Das ein oder andere Mal (lacht). Manchmal ist es echt abenteuerlich, welche Irrtümer oder Annahmen in den Köpfen verankert sind, selbst im Bundesligabereich.

Hast du noch ein Beispiel?

Das Zeitspiel. Der Name ist schon irreführend, weil es keine zeitliche Befristung für eine Angriff gibt. Es kommt ja vielmehr darauf an, was eine angreifende Mannschaft tut, um einen erfolgreichen Abschluss auf das Tor zu bekommen. Es kommt also auf die Aktivität an, nicht auf die Tatsche, ob das Team 30, 40 oder 50 Sekunden spielt. Es wird immer wieder von Tribünen oder Bänken gefordert: „Der Angriff läuft jetzt schon 45 Sekunden, das muss Zeit sein!“ Das lässt sich so pauschal nicht betrachten. Wenn die Abwehr das Spiel immer wieder durch Fouls unterbricht und die Angreifer dadurch gar nicht dazu kommen, ein Angriffsspiel aufzuziehen, ist die Forderung des passiven Vorwarnzeichens, weil der Angriff schon lange dauert, nicht durch das Regelwerk gedeckt. Entscheidend ist, ob die angreifende Mannschaft Willens und in der Lage  ist, ein Tor zu erzielen.

Das Gegen-Argument dürfte lauten: Abwehrarbeit muss doch aber belohnt werden …

Ja, regelgerechte Abwehrarbeit – und ein ständiges Festmachen mit Fouls ist keine regelgerechte Abwehrarbeit. Wir wollen beispielsweise ein gutes Verschieben und schnelle Beine belohnen. Wenn ich jedoch immer nur den Ballführer sofort klammere, dann ist das zwar Abwehrarbeit, aber keine regelgerechte Abwehrarbeit und auch kein passives Spiel. Auch Abwehr durch den Kreis ist oft ein Diskussionsthema.

Weil immer wieder der Siebenmeter gefordert wird?

Genau. Es heißt dann: „Das muss Siebenmeter sein, die Abwehr steht im Kreis.“ Es geht jedoch nicht allein um das Betreten der Linie oder des Torraums, sondern darum, zu erkennen, ob eine Spielsituation des Angreifers verhindert worden ist, indem sich der Abwehrspieler durch das Betreten einen Vorteil verschafft hat. Wenn es zu einem Zusammenprall kommt, wird oft Stürmerfoul moniert, aber die Schiedsrichter geben Siebenmeter, weil die Situation des Zusammenpralls nur entstehen konnte, weil sich der Abwehrspieler zuvor durch den Torraum bewegt hat.

Das ist aber auch eine der prädestinierten Fifty-Fifty-Entscheidungen …

Das stimmt. Es gibt aber auch Situationen, wo der Torraum betreten wird und es keinen Siebenmeter gibt – das ist das normale dynamische Verhalten im Rahmen des Handballspiels. Es prallen Körper aufeinander und dieser Kontakt ist auch erlaubt, aber wenn der Abwehrspieler durch diese Dynamik mit den Hacken auf der Linie steht, darf es keinen Siebenmeter geben, weil er dadurch keinen Vorteil hat. Es wäre trotzdem zu dieser Foulsituation gekommen wäre. Das ist ganz klar kein Vorteil, da gibt es einen Freiwurf. Das bloße Betreten der Linie genügt nicht für einen Siebenmeter

Wie frustrierend ist es aus Schiedsrichtersicht, dass einem immer wieder die Kompetenz abgesprochen wird?

Ich bin lange in diesem Bereich und kann nur sagen: Man lebt damit (schmunzelt). Je höher man unterwegs ist, umso größer ist oft eine gegenseitige Anerkennung und Wertschätzung gegeben. Und häufig wächst das Verständnis, wenn Trainer im Training selbst pfeifen (lacht). Mir haben Trainer danach schon öfter gesagt, dass selbst diese Viertelstunde im Training ganz schön schwierig ist und die Spieler mit dem pfeifenden Trainer über seine Entscheidungen diskutiert haben. Das ist ein wunderbarer Perspektivwechsel!

Worauf kommt es im Verhältnis zwischen Schiedsrichter und Trainer an?

Respekt und Anerkennung im gegenseitigen Austausch. Wenn man die Arbeit des anderen anerkennen und den anderen als Experten anerkennen kann, hilft das und macht das gegenseitige Feedback wertvoller. Ich kann auch Trainern unterhalb der Bundesliga nur empfehlen, den Austausch zu suchen und sich mit Fragen an Schiedsrichter oder Schiedsrichterwarte in ihrem Landesverband oder Verein zu wenden. Bundesligatrainer suchen den Kontakt auch immer wieder und stellen Fragen. Es geht um den Handballsport, das hilft allen.

Zum Abschluss eine Frage an den langjährigen Schiedsrichter-Experten: Stimmt eigentlich das Klischee, dass Schiedsrichter, die selbst noch spielen, am schwierigsten zu pfeifen sind?`

Ja, weil sie die Entscheidungen vorher wissen und versuchen, sie zu beeinflussen, bevor der Pfiff kommt.

Was?

(mit einem Augenzwinkern) Das ist die goldene Regel, das können sich auch die Trainer abspeichern. Die Entscheidung während des Spiels zu bemängeln, nachdem der Schiedsrichter gepfiffen hat, macht keinen Sinn. Da ist die Entscheidung gefallen und gute Schiedsrichter fallen nicht um. Sie nehmen daraus vielleicht etwas für die nächste Situation mit, aber die Entscheidung selbst bleibt bestehen; den Videobeweis an dieser Stelle bewusst ausgeklammert, es geht um normale Entscheidungen. Wenn du jedoch einen Schiedsrichter als Spieler auf dem Feld hast, macht er seine Bemerkung vor dem Pfiff in der Hoffnung, dadurch einen für die eigene Mannschaft positiven Einfluss auf die Entscheidung zu nehmen. Das macht es so schwierig, als Schiedsrichter einen anderen Schiedsrichter zu pfeifen, weil er weiß, wie du denkst (lacht).

„Volle 60 Minuten“ mit Frank Böllhoff

„Volle 60 Minuten“ mit Frank Böllhoff

„Volle 60 Minuten“ mit Frank Böllhoff

Oktober 16, 2024| Marc Fasthoff

Im Oktober geht es nach der Sommerpause weiter mit unserem Angebot „Volle 60 Minuten“ 😊
Zu Gast zum Interview wird Frank Böllhoff aus dem Lehrstab des Deutschen Handballbundes sein.
Der ehemalige Bundesliga Schiedsrichter und jetzt Verantwortliche des DHB-Schiedsrichter-Portals wird am 21. Oktober (19 bis 20 Uhr) einen tiefen Einblick in das DHB-Schiedsrichter-Portal und die regeltechnischen Klarstellungen zur Saison 2024/25 geben – ihr dürft euch auf einen offenen Austausch freuen. Bringt also unbedingt eure Fragen mit!

📆Montag, 21. Oktober

⏰19:00 bis 20:00 Uhr

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Wir freuen uns auf viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

„Ein junger Spieler darf keine Angst haben, Fehler zu machen.“ Interview mit Jan Redmann

„Ein junger Spieler darf keine Angst haben, Fehler zu machen.“ Interview mit Jan Redmann

„Ein junger Spieler darf keine Angst haben, Fehler zu machen.“ Interview mit Jan Redmann

September 20, 2024| Marc Fasthoff

Der Schritt vom Jugend- in den Erwachsenenbereich ist oft ein Knackpunkt.  Was muss ein junger Spieler mitbringen, damit der Schritt möglichst gut gelingt? Worauf kommt es in der Anschlussförderung an? Und worauf kommt es beim Blick auf den Trainer an? Jan Redmann stand sieben Jahre bei Männer-Drittligist HSG Rodgau Nieder-Roden an der Seitenlinie und wechselte in diesem Sommer auf den Posten des Jugendkoordinators. Im Interview spricht der A-Lizenz-Inhaber über seine Erfahrungen und verrät das Kriterium, auf das er bei Jugendspielern besonders achtete …

Jan, worauf kommt es beim Schritt aus dem Jugend- in den Erwachsenenbereich an? Oder, anders formuliert: Was muss der junge Spieler mitbringen, um den Schritt so erfolgreich wie möglich zu meistern?

Es gibt aus meiner Sicht drei Grundkomponenten: Motivation, Körper und Talent – und wenn ein Spieler zwei von diesen drei Dingen mitbringt, hat er die Möglichkeit, hochklassig zu spielen. Und zwei der drei Dinge kann er selbst durch intrinsische Motivation generieren. Vielleicht – das hört sich bei meinem Alter blöd an – ist es ein bisschen alte Schule, aber durch Fleiß, den passenden Trainer und gutes Zuhören kann ein Spieler schon viel machen.

Wille schlägt Talent, wie man so schön sagt?

Ich glaube, dass Wille wichtiger ist als Talent. Wir haben viele talentierte Jungs, die jedoch manchmal nicht den notwendigen Willen mitbringen. Ich habe in den letzten Jahren beide Seiten kennengelernt; ich habe mit Jugendlichen und Erwachsenen gearbeitet, mit einer jungen Mannschaft in der 3. Liga. Am Ende ist es so, dass der Einsatz, die Motivation und der Wille in dem Sinne Talent schlagen, dass sie viel nicht-vorhandenes Talent ausgleichen können.

Inwiefern hilft es so einem Spieler, dass er schon im Jugendbereich gelernt hat, sich mehr anzustrengen, als vielleicht das Talent, das durch den Jugendbereich „geflogen“ ist?

Wir kennen es alle aus unserem Leben, dass es nicht gut ist, wenn es immer anstrengend ist. Wenn man jederzeit kämpfen muss, ist das auch nicht sinnvoll – man muss auch spüren, dass man Erfolge erzielt. Ganz ohne Talent geht es daher auch nicht; man braucht das Gefühl für das Spiel. Wenn man beides hat – Wille in Verbindung mit Talent – kann das ganz viel ermöglichen.

Aus Trainer-Perspektive: Worauf hast du bei einem Jugendspieler geachtet, wenn er zu dir in die Drittligamannschaft gekommen ist?

Heutzutage ist die Handlungs- und Entscheidungskompetenz immer entscheidender. Wenn man in der Lage ist, in unserem Spiel die richtige Entscheidung zum richtigen Zeitpunkt zu treffen, hat man viele Möglichkeiten. Es war ein entscheidendes Kriterium für mich, ob ein Spieler diese Fähigkeit hat – im Angriff und/oder in der Abwehr. Körperlich kann man sich alles erarbeiten, man kann viel Wille zeigen, aber diese Fähigkeit kann man sich nicht antrainieren und daher gucke ich zuerst darauf.

Magst du noch kurz erläutern, warum das so entscheidend ist?

Manche nennen dieses Können auch Spielfähigkeit. Es geht darum, in der richtigen Situation die richtige Entscheidung treffen zu können. Das geht am besten, wenn man verschiedene Fähigkeit beherrscht – alle Arten von Würfen, alle Arten von Täuschungen und seine Skills im Abwehrverhalten. Wenn ich perfekt aus meine Portfolio die richtige Maßnahme auswähle, kreiert das die entscheidenden Momente.

Sprich: Es ist schon in der Jugendausbildung wichtig, dass man den Spielern ein breites Spektrum vermittelt – und der große Spieler nicht nur lernt, sich auf seine Größe zu verlassen, weil es gerade funktioniert?

Das ist das Schöne, was wir in den letzten drei, vier Jahren erkannt haben: Die Größe ist längst kein alleiniges Kriterium mehr für die Qualität eines Spielers. Mathias Gidsel als aktueller Welthandballer ist kein 2,05-Meter-Linkshänder im rechten Rückraum, sondern hat überragende technische Fähigkeiten. Er hat ein unglaubliches Eins-gegen-Eins-Verhalten und einen fantastischen Blick für den Raum. Er zeigt, dass inzwischen eine andere Körperlichkeit gefragt – denn ich will ihm Fitness und körperliche Stärke nicht absprechen; die braucht er, um sein Pensum zu leisten – ist als die frühere Körperlichkeit, die Körperlänge entsprach.

Das spricht für genau die gewünschte Vielseitigkeit in der Ausbildung …

Seine Vielseitigkeit ist brutal! Diese Art von technischer Ausbildung ist das, was die skandinavischen Spieler uns teilweise noch voraushaben. Ich glaube jedoch, dass wir im Deutschen Handballbund gute Schritte in der Entwicklung machen.

Lass uns über die Fähigkeiten eines Spielers hinausblicken: Wie wichtig ist der Trainer in der Anschlussförderung?

Der Aktiventrainer kann das entscheidende Kriterium für Karriere sein. Gerade, wenn wir über das höhere bzw. höchste Leistungsniveau sprechen, ist es am Ende des Tages der Trainer, der entscheidet, ob er einen jungen Spieler spielen lässt oder nicht. Ich würde mir wünschen, dass sich viel mehr Trainer genau das trauen.

Inwiefern?

Ich glaube, dass wir in Deutschland sehr viele gute Talente haben, die manchmal verschwinden, weil wir Trainer uns eben nicht trauen, diese Talente spielen zu lassen. Natürlich haben wir Drucksituationen, aber ich frage mich: Kann ein junger Spieler wirklich so viel kaputt machen in so kurzer Zeit? Wir sehen es oft, dass junge Spieler durch Verletzungen auf einen Platz rutschen und diese Rolle auch ausfüllen können, sodass ihr Stern aufgeht, der sonst vielleicht nie aufgegangen wäre.

Das sehen wir auch am Beispiel Renars Uscins in der Nationalmannschaft. Er hat im Spiel um Platz 3 bei der Europameisterschaft, als Kai Häfner nicht da war, gezeigt, das er auf diesem Niveau spielen kann, hat es bei Olympia-Quali bewiesen – und ist jetzt der Hoffnungsträger. Ich glaube, dass wir uns als Trainer mehr trauen müssen.

Welche Rolle fällt dabei gerade den Trainern der Drittligisten zu, die sich auf der Grenze zwischen Leistungs- und Amateursport bewegen?

Ich möchte das gar nicht auf eine Liga beziehen, denn wir haben in jeder Liga in Deutschland Mannschaften, die in einem – ich nenne es mal – grauen Mittelfeld schwimmen und für die weder Auf- noch Abstieg ein Thema ist. Diese Mannschaften könnten junge Leute noch mehr einsetzen und da ist die 3. Liga sicherlich auch ein Teil davon. Wir haben viele etablierte Drittligisten, die natürlich immer Punkte sammeln wollen, die aber auch jungen Leute das Vertrauen schenken können, weil sie am Ende nicht absteigen werden.

Wie sieht das bei euch – der HSG Rodgau Nieder-Roden – aus?

Wir wollen das weitermachen, was wir bereits in den vergangenen Jahren gemacht haben. Wir haben eine extrem junge Mannschaft; letzte Saison lag der Altersdurchschnitt bei 22,1 Jahren und dieses Jahr dürften wir uns noch einmal verjüngt habe, da in Marco Rhein einer unser Routiniers aufgehört hat und noch einmal zwei, drei junge Spieler dazugekommen sind. Wir bekommen es gut hin, aus eigener Nachwuchsarbeit die Talente zu ziehen. Das ist sicherlich auch finanziell begründet, aber wir haben auch Lust dazu, es genau so umzusetzen. Es klappt natürlich nicht mit jedem Jugendspieler, aber wir stehen mit Überzeugung hinter diesem Konzept.

Wie schwierig ist es, wenn man schon im Jugendbereich Spielern sagen muss, dass es in Richtung Jugendbundesliga eher nicht reicht?

Das ist eine ehrlich Aussage und hilft manchmal mehr, als irgendjemanden mitzutragen und ihm den Glauben zu geben, er könnte das schaffen, obwohl man das selbst nicht sieht. Dann soll dieser Spieler lieber eine Liga tiefer, aber dort erfolgreich spielen – und so öffnet sich zugleich die Tür für jemanden anderen, den man talentierter sieht. Wenn wir einen Spieler finden, in dem wir letztendlich einen Drittligahandballer sehen, wollen wir ihm das auch vermitteln. Wir sagen dann: Wir wissen, dass es oft ein steiniger Weg ist, aber wir haben Geduld und schenken dir diese, denn wir vertrauen dir. Vertrauen und Ehrlichkeit sind in dem Prozess ganz wichtig.

Was führt dazu, dass ein Spieler diesen Schritt schaffen wird?

Er darf nicht die Geduld, nicht den Mut verlieren – und er sollte demütig sein, ohne die Frechheit eines jungen Spielers zu verlieren. Er muss sich schon etwas trauen. Und er braucht die Bereitschaft, von älteren Spieler zu lernen und zugleich das Glück, ältere Spieler in der Mannschaft zu haben, die ihn auch führen wollen.

Wenn du sagst, er dürfte nicht die Geduld verlieren: Wie lange kann oder darf sich ein Spieler Zeit lassen?

Ich kann nicht sagen, dass es immer ein, zwei oder drei Jahre sind, denn das hängt auch immer vom Spieler ab. Der talentierte Spieler braucht vielleicht weniger Zeit, wenn er den notwendigen Willen mitbringt und der mit mehr Willen braucht trotzdem ein bisschen länger, weil er weniger Talent hat und es sich erarbeiten muss. Das, worauf es ankommt, ist einfach: Ehrliche Kommunikation! Man kann als Spieler das Gespräch mit dem Trainer suchen und fragen: Lohnt sich meine Geduld noch – oder nicht? Da ist der Trainer dann gefordert, auch ehrlich zu sein und ggf. eben zu sagen: Ich glaube nicht, dass du es noch schaffst – versuch es lieber eine Liga tiefer.

Du sprichst sehr viel von Ehrlichkeit …

So ein offener und ehrlicher Prozess ist einfach wichtig – gerade dem Spieler gegenüber. Es kann sein, dass ein Spieler unter einem anderen Trainer doch noch diese Karriere macht, aber es an dieser Stelle – mit diesem Trainer, in dieser Mannschaft oder in der Situation des Vereins – einfach nicht passt. Daher muss sich jeder Trainer und jede sportliche Leitung überlegen: Sind wir ehrlich zu unseren Spielern? Und der Spieler muss sich fragen: Bin ich ehrlich zum Verein oder will ich eigentlich etwas anderes? Wenn beide jedoch ehrlich sind und es passt, kann man gemeinsam eine sportliche Perspektive aufbauen.

Was für ein Ratschlag hättest du für Trainer an dieser Stelle noch?

Es ist wichtig, immer Motivation zu vermitteln und ein offenes Ohr zu haben, dem Spieler zuhören können. Ich bin zudem überzeugt, dass man einem jungen Spieler vermitteln sollte, dass er auf dem Feld auch einen oder auch zwei Fehler machen darf und Feedback dazu nichts schlimmes ist. Ein junger Spieler darf keine Angst haben, Fehler zu machen. Das ist enorm wichtig. Ich glaube, diese Angst, Fehler zu machen, hemmt viele junge Spieler, weil sie auf dem Feld dann lieber nichts ausprobieren, um nur ja nicht ausgewechselt zu werden.

Wie bist du damit umgegangen?

Ich habe versucht, den Spielern das Gefühl zu vermitteln: Mach etwas, denn es ist meine Aufgabe, einzuschätzen, was dann überwiegt – die Gefahr, das mich das gerade Ergebnis kosten könnte oder die Erfahrung, die der junge Spieler gerade sammelt. Außerdem halte ich es für wichtig, dass junge Spieler nicht nur am Ende auf das Feld kommen, wenn das Spiel schon entschieden ist, sondern dass sie auch die Möglichkeit bekommen, wichtige Entscheidungen zu treffen. Das trägt sie enorm weiter, denn manchmal ist ein junger Spieler genau derjenige, der dem Druck stand hält, weil er sich  keinen Kopf macht – oder er lernt eben, was seine Entscheidungen für Konsequenzen hat.

Zum Abschluss: Du hast dich von der Trainerbank in der 3. Liga zurückgezogen, um Jugendkoordinator zu werden. Was macht für dich den Reiz an deiner neuen Aufgabe aus?

Junge Menschen weiterzubilden und in den Handball zu bringen: Das begleitet mich schon meine ganze Trainerkarriere und auch auf meinen anderen Stationen. Der Verein lebt diese Philosophie und wir sind, das will ich auch nicht verhehlen, stolz auf jedes Talent, was den Schritt in die 3. Liga geht oder vielleicht auch den nächsten Schritt macht.

Außerdem freue ich mich, dass ich aus dem Hamsterrad rausgekommen bin, jeden Tag selbst ins Training gehen zu müssen und stattdessen meine Erkenntnisse und mein Wissen an meine jungen Trainer weitergeben kann. Ich habe ganz gezielt auch junge Trainer gesucht und sie machen es sensationell gut. Ich genieße den Austausch, von dem alle profitieren – sie lernen von mir, aber ich gewinne auch neue Ansichten von ihnen.

„Ich könnte grinsen wie ein Honigkuchenpferd“ – Interview mit Erik Wudtke

„Ich könnte grinsen wie ein Honigkuchenpferd“ – Interview mit Erik Wudtke

„Ich könnte grinsen wie ein Honigkuchenpferd“ – Interview mit Erik Wudtke

August 1, 2024| Marc Fasthoff

Unser Vorstandsmitglied Erik Wudtke gewann mit der deutschen Männer-Nationalmannschaft die Silbermedaille bei den Olympischen Spielen in Paris und Lille. Im Interview sprach er über die Entwicklung der Mannschaft und gab einen Einblick in den Trainingsalltag während des Turniers. 

Erik, unabhängig vom Ergebnis des Finals, sind diese Olympischen Spiele ein Erfolg, oder? 

Wenn man eine Medaille von Olympischen Spielen mitbringen darf, ist das auf jeden Fall ein Erfolg. Ich will es gar nicht allein an den Ergebnissen festhalten, denn ich finde, dass die Entwicklung der Mannschaft ein Erfolg ist. Letztendlich werden wir in Deutschland aber auch immer daran gemessen, ob wir etwas mitbringen oder nicht – und das haben wir geschafft. Wir waren bei der Heim-Europameisterschaft schon relativ nah dran und jetzt haben wir uns für die Arbeit belohnt. 

Womit bist du in der Entwicklung besonders zufrieden? 

In so einer Top-Mannschaft entwickeln sich die Spieler nicht so sehr im individuell-technischen Bereich, denn sie bringen ja unheimlich viel mit. Der entscheidende Schritt ist die Entwicklung im mentalen Bereich. Das kann aber nur gelingen, wenn man die Erfahrung in den Wettkämpfen sammelt; da ist kein Trainer gut genug, so etwas zu simulieren, also müssen die Spieler Momente erleben, in denen eine Widerstandsfähigkeit herausgearbeitet wird. 

Inwiefern? 

Wir hatten ein hartes Spiel gegen Frankreich, vor knapp 30.000 Zuschauern und es waren sicher nicht alle für uns (schmunzelt). Es war der entscheidende Schritt, sich dagegen zu wehren, trotzdem bei sich zu bleiben und zu wissen, dass das Spiel auf diesen 40×20 Metern entschieden wird. Die Zuschauer können brüllen wie sie wollen, aber sie dürfen nicht über die Linie – und jenseits der Linie müssen es die französischen Spieler alleine lösen. Sich all das zu vergegenwärtigen, sich von der Atmosphäre nicht negativ beeindrucken zu lassen und es ein normales Spiel werden zu lassen: Das ist eine Entwicklung, die die Mannschaft mitgenommen hat.

Ist die Mannschaft in diesem Sinne weiter als vor dem Turnier oder auch vor der Heim-Europameisterschaft?

Das ist ein schmaler Grad. Es ist jetzt nicht so, dass es wie ein Hebel ist: Jetzt haben die Jungs es einmal geschafft, jetzt gelingt das immer – und vorher haben sie es gar nicht geschafft, weil sie nicht gut genug dafür waren. Du musst immer ein paarmal auf die Schnauze fallen, damit du das Gefühl hast, was du in diesen Momenten machen musst und was du in dem Moment vorher nicht gemacht hast. Du musst die Gabe haben, dich daran zu erinnern – in den Momenten, wo es wieder der Fall ist. Das haben die Jungs geschafft. 

Nicht nur gegen Frankreich? 

Nein, auch in der Gruppenphase hatten wir eine Phase gegen Spanien, in der wir zurücklagen. Es ist immer schwierig gegen Spanien, weil es sehr emotionale Mannschaft ist, aber wir haben aber dagegengehalten. Das ist uns beispielsweise gegen Kroatien aber nicht gelungen, da war die Emotionalität bei den Kroaten und wir haben nicht dagegengehalten. Es gelingt mal und es gelingt mal nicht, aber es ist auf jeden Fall die Entwicklung zu erkennen, dass uns das häufiger gelingen wird. Das sollte uns Mut machen, dass wir in Zukunft häufiger solche engen Spiele – und auf dem Niveau ist es immer eng – für uns entscheiden können. 

Wie stolz bist du, dass ihr mit der jüngsten Mannschaft des Turniers das Finale erreicht habt? 

Du fragst den ehemaligen Bundestrainer Jugend (lacht). Ich könnte grinsen wie ein Honigkuchenpferd, weil ich mich unglaublich freue, dass die Arbeit der Vereine und Verbände im Nachwuchsbereich Früchte trägt. Das ist total wertvoll für diese Sportart, weil die Sportart dadurch am Leben erhalten wird und sich weiterentwickeln kann. So können wir einfach für Kontinuität in dieser Sportart in Deutschland sorgen. 

Wie meinst du das? 

Wir schaffen Kontinuität, wenn es uns gelingt, immer wieder auch junge Leute in so eine Mannschaft zu integrieren und die Zuschauer sich identifizieren können. Die Kinder zu Hause sehen Juri oder Julian, David oder Renars und denken sich: Ich möchte auch so werden. Das ist eine totale Vorbildfunktion und das ist wichtig für unsere Sportart! 

Und ohne die Junioren-Weltmeisterschaft klein zu reden: Es ist eben auch jemand wie Marko Grgic dabei, der nicht in den Junioren war und trotzdem seine Chance erhalten hat… 

Es ist keine Garantie, dass man in die Nationalmannschaft kommt, nur, weil man in einem Leistungszentrum ist. Das erleichtert sicherlich oft die Situation, weil man so eine gewisse Förderebene hat, aber es gibt immer wieder Beispiele, die auch außerhalb der Förderschiene den Weg geschafft haben – wie Juri oder Marko. Unsere Aufgabe ist es, dass wir diese Leute trotzdem sehen und weiterentwickeln. 

Wie?

Bei jedem Kind und jedem Jugendlichen muss man die individuelle Entscheidung treffen, ob es überhaupt der richtige Weg ist, ihn in ein Internat – ob in der unmittelbaren Region oder 500 Kilometer entfernt – zu geben oder das nicht gut wäre. Julian Köster war in Dormagen, hat es aber ohne Internat geschafft, weil er dort gewohnt hat. Es gibt verschiedene Wege und für uns ist wichtig, dass wir zeigen, dass über verschiedene Wege Nationalspieler entwickelt werden können. 

Lass uns noch auf deinen Alltag während der Olympischen Spiele schauen. Was war deine Hauptaufgabe? 

Ich habe viel Videoanalyse gemacht und daraus resultierend Einzelgespräche geführt. Alfred spricht viel mit der gesamten Mannschaft und gibt die große Taktik vor; die große Idee, wie wir im Angriff und Abwehr spielen wollen. Meine Aufgabe ist es, mit einzelnen Spielern zu sprechen, einzelne Situationen durchzugehen und einzelne Spieler, die vielleicht nicht vor Selbstvertrauen strotzen, mitzunehmen. Wir wollen ihnen das Gefühl geben: Du wirst gesehen, wir sprechen mit dir, wir glauben an dich und deine Stärken. Da hilft das Reden, das ist sehr wichtig. 

Und was in den Trainingseinheiten rund um das Turnier möglich? 

Das muss man differenzieren. Vor Olympia haben wir schon viel gemacht; das war eine richtige Vorbereitung, wo wir auch mit Grundübungen und Grundspielen gearbeitet haben – eben so, wie man sich klassisch eine Trainingseinheit vorstellt, wie es jeder Trainer auch zu Hause macht. Das ist in der Nationalmannschaft die Ausnahme. In der Regel hast du einfach wenig Zeit für diese Entwicklungs-Trainingsinhalte, die so ein bisschen den klassischen Trainingsbetrieb darstellen, denn wir gehen auf die individuelle Spielvorbereitung auf den Gegner. Was macht den Gegner besonders, worauf können wir uns vorbereiten und was sind unsere Abläufe? 

Das war dann der Inhalt während des Turniers? 

Genau. Je näher wir an Olympia gekommen sind, umso taktischer wurde es – und während Olympia ist es im Prinzip nur noch Taktik. Ein bisschen Werfen kommt dazu, sodass die Jungs Sicherheit bekommen – dass sich Steini [Christoph Steinert] mal Würfe von Rechtsaußen nimmt, weil es nicht seine Stammposition ist oder wir zwei drei Abläufe mit Kohli [Jannik Kohlbacher] auf Rechtsaußen durchlaufen lassen. Ansonsten stellen wir da, was wir im Video gesehen haben, was der Gegner besonderes spielt. Das Training während Olympia war Taktik, Taktik, Taktik. Das ist von der Intensität nicht hoch, das Kicken war der anstrengendste Teil (lacht). 

Fußball zum Aufwärmen war also erlaubt? 

Ja, das dürfen sie. Die wenigsten können es gut, aber die meisten machen es sehr, sehr gerne. 

Der beste Fußballer im Olympia-Kader? 

Es ist keine Kunst, das zu sagen: Juri hat schon eine herausragende Ballbehandlung, an dem ist ein Brasilianer verloren gegangen. Andere Spieler glänzen durch fantastische mannschaftsdienliche Aktionen und sind genauso wertvoll (lacht). Sie kicken gerne, alle sind aktiv, das ist ein gutes Aufwärmen. Die Jungs machen es natürlich sehr vorsichtig, es ist Pazifisten-Fußball, weil wir keinen dummen Fehler machen wollen. 

Der schwedische Frauen-Nationaltrainer Tomas Axner hat gesagt, dass es eine Herausforderung sei, sich für taktische Inhalte zu entscheiden, denn nimmst du ein Thema, fehlen dir diese 15 Minuten woanders. Wie findet man dort die Balance? 

Wir konzentrieren uns in der geringen Trainingszeit auf die Situationen, die wir als besonders erachtet haben in der Analyse. Wenn wir etwas erkennen oder der Gegner im Turnier vielleicht auch noch etwas geändert hat, legen wir dort den Schwerpunkt drauf. Die Slowenen haben zum Beispiel eine ungewöhnliche Überzahltaktik und die Spanier spielen die 5:1 mit Dushjebaev vorgezogen fast als Manndeckung, da müssen wir drauf vorbereitet sein. Auch auf eine Situation wie nach dem Ausfall von Tim [Tim Hornke], wo wir im Prinzip ohne echten Rechtsaußen spielen, müssen wir im Training reagieren und uns wappnen. 

Zum Abschluss: Wie hast du – gerade in Paris – das Olympia-Feeling erlebt? 

Ich liebe Sport. Ich bin so stolz darauf, dass mein Sohn und meine Tochter beide Sport machen und bin selbst immer im Sport gewesen. Bei uns zu Hause lief immer Olympia im Fernsehen, ich bin ein totales Sportkind. Leider habe ich nichts live gesehen, aber ich habe jede freie Minute genutzt, mich in der Mensa mit Leuten zu unterhalten oder im Fernsehen von Bogenschießen, BMX, Skateboard und Kanuslalom alles zu gucken. Das Leben im Dorf mit so vielen Athleten aus so vielen Nationen ist großartig. Wenn du durch die Kantine gehst, siehst du Leute aus Tuvalu, Vanuatu, Sierra Leonie oder Osttimor, die alle zu seinem Sportfestival zusammenkommen. Das ist Wahnsinn! Im Sport ist Olympia für mich das Größte, was es gibt. 

Hinweis: Das Interview wurde in Lille nach dem Sieg im Halbfinale gegen Spanien geführt. Daher findet das Finale gegen Dänemark keine Erwähnung.