„Tacheles reden, wenn es notwendig ist“ – Interview mit Martin Heuberger

„Tacheles reden, wenn es notwendig ist“ – Interview mit Martin Heuberger

„Tacheles reden, wenn es notwendig ist“ – Interview mit Martin Heuberger

Dezember 29, 2024| Marc Fasthoff

Mit sechs Titeln als Cheftrainer ist er der erfolgreichste Coach des Deutschen Handballbundes: Junioren-Bundestrainer Martin Heuberger. 2004, 2006 und 2021 führte er den DHB-Nachwuchs zum Europameistertitel; 2009, 2011 und 2023 gab es Gold bei den Junioren-Weltmeisterschaften. Im Interview spricht er darüber, worauf es in der Kommunikation zwischen Spieler und Trainer ankommt.

Worauf kommt es als Trainer in der Kommunikation mit den eigenen Spielern an?

Es ist wichtig, die Fakten zu nennen: wo liegen die Stärken der Spieler und wo liegen noch Potenziale; die Stellen, an denen sie sich verbessern können. Mit solchen Fakten müssen die Spieler umgehen lernen – gerade, wenn sie in Richtung Leistungssport wollen, ist eine offene und ehrliche Kommunikation ganz wichtig. Deshalb muss man als Trainer auch klar sagen, woran es noch hapert, warum es nicht reicht, warum der andere Spieler besser ist. Das ist enorm. wichtig und dann können die Jungs entscheiden, was sie mit diesen Informationen machen. Sie können entscheiden, ob sie weiterarbeiten wollen an den Defiziten und den Potenzialen, die man ihnen aufzeigt oder nicht. Und an dieser Stelle trennt sich die Spreu vom Weizen.

Inwiefern gibt es in der Kommunikation einen Unterschied, ob man Vereinstrainer ist oder wie du aktuell Auswahltrainer?

Da gibt es für mich keinen Unterschied. Im Gegenteil: Als Auswahltrainer haben wir immer nur eine Momentaufnahme. Klar, wir beobachten auch die Vereinsspiele und haben einen Blick auf die Spieler, aber beim Lehrgang sind die Spieler nur wenige Tage vor Ort. So bekommt man als Auswahltrainer manchmal ein verfälschtes Bild. Für einen Vereinstrainer ist es daher sogar noch wichtiger, dass er den Spielern nicht nur die Fakten nennt, sondern auch mit den Spielern gerade an den Potentialen und Defiziten arbeitet.

Weil der Vereinstrainer den Spieler mehrmals in der Woche sieht und der Auswahltrainer nur kurz auf dem Lehrgang?

Genau. Wir haben die Zeit bei der Nationalmannschaft oft gar nicht, wir können oft nur unsere Empfehlungen aussprechen. Genau deshalb kommunizieren wir aber auch viel mit den Heimtrainern und tauschen uns regelmäßig aus. Denn man muss schon ehrlich sagen: Die Arbeit passiert in den Vereinen, weniger bei der Auswahl.

Auf den Ausbildungslehrgängen für Trainer ist die Kommunikation oft kein Schwerpunkt. Kann man die Kommunikation mit den Spielern lernen?

Ein Stückweit schon, ja. Es ist sicherlich auch eine Charaktereigenschaft von einem Trainer, einen Blick dafür zu haben, wie ich die Spieler gerade im individuellen Bereich weiterbringen kann und entwickeln kann, aber es geht eben auch darum, Tacheles zu reden, wenn es notwendig ist, unverblümt die Fakten zu nennen. Die Spieler müssen allerdings auch bereit sein, etwas daraus zu machen, was man ihnen mit auf den Weg gibt.

Was waren – an was erinnerst du dich noch – die größten Knackpunkte in der Anfangszeit?

Am Anfang sind viele Dinge neu und da muss sich ein Trainer immer erst reinfuchsen und lernen – und dann entwickelt man sich selbst weiter. Man bekommt ein geschultes Auge und einen anderen Blick auf die Dinge, als ein junger, unerfahrener Trainer ihn hat. Das hilft natürlich extrem, um die Fakten benennen zu können.

Welche Tipps würdest du einem Trainer geben, der an seiner Kommunikation arbeiten will?

Das ist pauschal schwierig, da muss man im Einzelfall schauen, wo es hakt. Dinge anzusprechen, kann erst einmal jeder, es kann aber sein, dass schlicht und einfach das fachliche Know-How fehlt. Es kommt natürlich auch auf die Art und Weise an. Eine offene und ehrliche Kommunikation ist mir wichtig, dass die Spieler die Fakten kennen, aber einfach mit einem Holzhammer draufhauen, geht halt auch nicht.

Was ist ein großer Schritt, den du über die Jahre in der Kommunikation gemacht hast?

Ich war früher eher emotional, da bin ich sicherlich mit den Jahren ruhiger geworden. In meinen Anfängen bin ich relativ schnell sehr impulsiv gewesen; gerade, wenn es nicht so gelaufen ist wie ich mir das vorgestellt habe. Mittlerweile habe ich gelernt, dass es ein Reifeprozess ist. Man kann nicht von heute auf morgen erwarten, dass die Dinge, die man als Trainer im Kopf hat, umgesetzt werden. Das braucht Zeit und die Zeit muss ich den Jungs als Trainer auch geben. Wenn ich aber merke, dass sich nichts entwickelt, ist irgendwann Schluss. Wenn der Spieler vielleicht sogar die Einstellung hat, sich gar nicht verbessern zu wollen, dann trennen sich eben die Wege.

Welche Unterschiede gibt es im Umgang mit Erwachsenen- und Nachwuchsspielern?

Ein jüngerer Spieler braucht ein bisschen engere Führung als ein älterer Spieler, der sich in der Regel – es gibt auch Ausnahmen – bereits besser einschätzen kann. Durch die Erfahrung sind ältere Spieler oft reflektierter. Es gibt aber in jedem Alter einzelne Spieler, die ein anderes Fremdbild von sich haben; die sich nicht ganz realistisch einschätzen können. Da muss man sagen, was Sache ist.

Was gehört – abseits der Fakten – zur engeren Führung dazu?

Als Trainer muss ich die jungen Spieler in gewisser Weise erst einmal erziehen. Sie wissen oftmals nicht, was Leistungssport heißt, was es heißt, sich im täglichen Training zu quälen, auch, wenn ich mal keine Lust habe und was es heißt, sich zu organisieren. Im höchsten Leistungsbereich liegt der Fokus ganz auf dem Handball, da ist es einfacher, aber bei jungen Spielern kommt Schule oder Ausbildung dazu. Da muss man sie in die richtige Schiene setzen. Das kann man vom Leistungsbereich übrigens herunterbrechen in den Amateurbereich.

Inwiefern?

Ich denke, es geht immer darum, besser zu werden. Es ist das Ziel eines Einzelnen und der Mannschaft, dass man über die Saison eine Entwicklungsprozess sieht. Das ist nicht abhängig von der Liga oder Altersklasse. Wenn man dieses Ziel nicht hat, macht man als Trainer aus meiner Sicht etwas falsch, denn ich sehe die Trainerrolle nicht dafür zuständig, um die Spieler nur zu bespaßen.

Was kann man im Austausch Spieler/Trainer abseits der direkten Kommunikation falsch machen?

Wenn ich in manchen Spielen beobachte, wie einige Trainer ihre Teams coachen, muss ich sagen: Da habe ich eine andere Philosophie. Manche sind aus meiner Sicht zu impulsiv, zu energisch und zu rabiat, zu forsch in manchen Dingen, vor allem in der Wortwahl. Es sollte mehr darum gehen, Inhalte rüberzubringen, das muss man eher im ruhigen Rahmen machen.

Wie meinst du das konkret?

Im Spiel kriegen die Spieler – gerade, wenn sie schon etwas kaputt sind – oftmals nicht mit, was von der Seite impulsiv gebrüllt wird. Und oft sind die Kommentare von der Seite wie „Triff das Tor“ auch nicht hilfreich. Dass er das Tor treffen soll, weiß der Spieler in der Regel selbst. Vom Trainer muss vielmehr eine Hilfestellung kommen, was der Spieler verändern sollte bzw. könnte. Und für diesen Austausch nehme ich den Spieler vielleicht lieber kurz raus und versuche, in einer ruhigen Sekunde auf der Bank zu erklären, was die Fehlerquelle ist und was er besser machen soll. Nur Fehlerquellen aufzählen, hilft ebensowenig.

Und ansonsten?

Ich beobachte viele Spiele und mir ist manchmal aufgefallen, dass der ein oder andere Trainer sich auf die Bank hockt und sich im Schneckenhaus, wenn es nicht läuft. Das ist im Coaching der falsche Weg, finde ich. Gerade in solchen Situationen bin ich als Trainer gefragt, aktiv zu werden und durch Umstellungen Veränderungen zu erreichen. Ich unterhalte mich mit Spielern und versuche, ihnen neue Dinge auf den Weg zu geben, was sie vielleicht verändern können. Es gibt jedoch leider Kollegen, die wie eine Mannschaft in eine Loch fallen und nicht einmal mehr versuchen, etwas zu verändern. Dabei ist es doch die Aufgabe als Trainer, das Spiel zu lenken. Ob es dann richtig oder falsch ist, was man versucht, wird man erst am Ende sehen, aber wenn ich als Trainer gar nichts mache und mich selbst ergebe, ist es der größte Fehler.

Abschließend ein Blick auf die DHTV: Du hast mit deinen Auswahlmannschaften auch hin und wieder schon von der Förderung profitiert; vor zwei Jahren gab es beispielsweise in der Vorbereitung neue Mixer. Wie wichtig ist so ein Support?

Das ist ganz toll und da möchte ich der DHTV ein großes Kompliment aussprechen, dass sie uns Dinge ermöglicht haben, die für uns sonst nicht bezahlbar sind. Vor der Junioren-WM haben wir über Pitti eine Teambuilding-Maßnahme auf den Weg gebracht, das war eine tolle Geschichte und eine große Unterstützung. Ich habe auch schon Veranstaltungen der DHTV miterlebt und es ist immer gut, wenn man sich unter Trainerkollegen austauschen kann. Man nimmt immer etwas mit, bringt seinen Input ein und kriegt etwas zurück.

„Volle 60 Minuten online“ mit Jürgen Hilfinger

„Volle 60 Minuten online“ mit Jürgen Hilfinger

„Volle 60 Minuten online“ mit Jürgen Hilfinger

Dezember 15, 2024| Marc Fasthoff

Morgen am Montag, 16.12. um 19h finden unsere letzten „Vollen 60 Minuten“ in diesem Jahr statt.

Zu Gast wird Jürgen Hilfinger, Beauftragter für die Lehre im Schiedsrichter-Ausschuss der 3. Liga, bei Moderator Gleb Sakovski sein. Jürgen wird natürlich alle Fragen rund um das Schiedsrichterwesen der 3. Liga beantworten – ihr dürft euch auf einen offenen Austausch freuen.

Auch eure Fragen sind herzlich Willkommen. Wir freuen uns auf Jürgen und Euch.

🗓️ Montag, 16. Dezember 2024

⏰ 19:00 bis 20:00 Uhr

📌 Der Link für alle Online-Vorträge von „Volle 60 Minuten“ bei » Zoom
Meeting-ID: 815 7660 8634 | Kenncode: 238128

Wir freuen uns auf Jürgen und Euch.

„Die meisten Torhüter haben die größten Defizite im Rahmen der Beinarbeit.“ – Interview mit Franco Tafuro

„Die meisten Torhüter haben die größten Defizite im Rahmen der Beinarbeit.“ – Interview mit Franco Tafuro

„Die meisten Torhüter haben die größten Defizite im Rahmen der Beinarbeit.“ – Interview mit Franco Tafuro

Dezember 4, 2024| Marc Fasthoff

Der Schlussmann im Fokus: Ein Torwarttrainer ist im oberen Leistungsbereich Usus, im Amateur- und Jugendhandball jedoch keine Selbstverständlichkeit. Wie gelingt es, den Keeper im Training trotzdem in den Blick zu nehmen – und ab welcher Altersklasse ist das empfehlenswert? Franco Tafuro ist ausgebildeter DHB-Torhüter*innen-Trainer und gründete gemeinsam mit Ex-Nationalspielerin Debbie Klijn die Torwart-Trainer-Academy. Im Interview berichtet er aus seiner Erfahrung und betont: „Torhüter wollen gar nicht das ganze Training haben, aber zumindest einen kleinen Abschnitt.“ 

Franco, es gibt im mittleren und unteren Leistungsbereich sowie der Jugend viele Mannschaften bzw. Vereine, die keinen Torwarttrainer haben. Was kann ein Trainer tun, damit sich seine Torhüter im Mannschaftstraining wohl und vor allem gesehen fühlen? 

Die Torhüter brauchen auch im Mannschaftstraining eine Einbindung; eine Zeitspanne, wo die Aufmerksamkeit ihnen gilt. Außerdem brauchen Torhüter konkrete Aufgaben und dadurch eine Förderung. Wenn sich der Cheftrainer mit den Feldspielern beschäftigt, kann der Torhüter sich durchaus mit Einzelübungen selbst beschäftigen. Die Vorgaben dafür sollten jedoch vom Trainer kommen und das ist das Mindestes, was ich mir wünschen würde. Und weißt du, warum?

Warum? 

Weil wir immer wieder sehen, dass die Torhüter besser werden, sobald das geschieht! Sie haben eine gezielte Förderung und können an sich arbeiten. Ich höre bei Workshops immer wieder von Torhütern, dass sie den Eindruck haben, dass sie nur nebenbei laufen. Für mich als Trainer wäre die Position des Torhüters viel zu wichtig, um sie bei der Förderung weitestgehend zu ignorieren, denn ohne eine solche individuelle Förderung werden wir maximal durchschnittliche Leistung unsere Torhüter erhalten.

Wie viel Zeit sollte das Torwarttraining einnehmen? 

Torhüter wollen gar nicht das ganze Training haben, aber zumindest einen kleinen Abschnitt. 15 bis 20 Minuten in der Woche sind ein guter Richtwert, das hat Mattias Andersson im Mannschaftstraining des THW Kiel ebenfalls. Wenn ein Amateurteam zwei Einheiten hat, sind es 20 von 180 Minuten – und das ist aus meiner Sicht nicht zu viel. Wir wissen ja, dass die Torwartposition als eine der wichtigsten Positionen im Handball angesehen wird. Außerdem kann ich das Training der Torhüter ggf. mit dem Mannschaftstraining verbinden – und es beispielsweise als Wurftraining für die Außenspieler nutzen, aber den Fokus sichtbar auf den Keeper legen.

Sichtbar? 

Ich gebe die Aufgabe für die Feldspieler beim Wurftraining klar vor, konzentriere mich über Blick und Position aber auf auf den Torwart. Ich stehe auf fünf, sechs Meter, meine Blickrichtung ist zum Tor. Das schafft bereits gezieltere Würfe und ich gebe dem Torwart Aufmerksamkeit.

Ansonsten sprachst du eingangs davon, dem Torhüter Einzelaufgaben zu geben… 

Genau, das ist eine gute Möglichkeit; gerade, wenn man als Trainer alleine mit der ganzen Mannschaft in der Halle steht. Torhüter können mit Pommes und Koordinationsleiter an der Beinarbeit arbeiten oder mit verschiedenen Materialien an der Auge-Fuß- bzw. Hand-Auge-Koordination. Ich bin ein großer Fan der ‚Ballklatschen. Den Torhüter einfach nur zehn Minuten zum Dehnen zu schicken, ist aus meiner Sicht überholt.

Inwiefern? 

Das war in meiner Generation sicherlich Standard, aber es hat nichts damit zu tun, dass der Torhüter warm wird. Eine bessere Alternative ist das so genannte MAPS-Plakat, das der DHB kostenlos zum Download ( https://www.dhb.de/sites/default/files/2024-12/MAPS Poster Torhüter.pdf ) bereitstellt. Wenn ich das ausdrucke und dem Torhüter gebe, kann er sich selbst pro Einheit ein Programm aus den Übungen zusammenstellen. Wir haben auch mal einzelne Übungen fotografiert und sie mit Erläuterung zu laminierten Karten zusammengebastelt. Oder uns Übungsvideos auf ein Tablet geladen, was wir dem Torhüter dann gegeben haben. Es gibt so viele Möglichkeiten.

Das Dehnen gehört für einige Torhüter ebenso wie das standardisierte Einwerden dazu – und er will nicht, dass es ihm ‚gestrichenwird. Wie finde ich da einen Kompromiss? 

Das Gespräch mit dem Torhüter suchen, ist sicherlich der erste Schritt. Man kann als Trainer dann zum Beispiel erklären, was der Hintergrund ist – und sich beispielsweise einigen, dass am Spieltag die Routinen des Torhüters eingehalten werden und im Training immer mal wieder neue Reize gesetzt werden. Und wenn ein Torwart auf die Routine des Dehnens besteht, kann man in die Absprache gehen, inwiefern er früher kommen will. Die koordinative Förderung – und ich verweise erneut auf das MAPS-Plakat – ist jedoch unheimlich wichtig.

Was wären abseits des individuellen Programms neue Reize? 

Es ließe sich die übliche Wurfkombination beim Einwerfen variieren, das Einwerfen erfolgt aus anderen Positionen. Es muss beispielsweise nicht immer aus der Mitte erfolgen, sondern es lassen sich Varianten einbauen, die dem Torwart helfen – von den Halbpositionen oder von Außen. Da ist Kreativität möglich, obwohl der Schwerpunkt auf dem Einwerfen liegt.

Wenn Trainer selbst keine Torhüter gewesen sind, fehlt die eigene praktische Erfahrung mit dieser Position. Was würdest du da empfehlen? 

Ein paar einfache Eingriffe kann und muss jeder vornehmen, um seine Torhüter zu verbessern. Neue Reize zu setzen und den Torhüter im Training neu zu fordern, ist dabei der erste Schritt. Denn wenn wir den Torhüter nur das machen lassen, was er immer gemacht hat, werden wir in der Halle auch nur das bekommen, was er immer gehalten – oder irgendwann vielleicht auch nicht einmal mehr das. Wie soll ein Torhüter besser werden bei Würfen von Außen, wenn wir seine Beinarbeit nicht verbessern? Und wie soll er die 1. Welle besser werfen, wenn er das im Training nicht üben kann? Es ist ja schlicht und einfach ein Differenzierungsvermögen, den Pass so einschätzen, dass der Ball da landet, wo der Spieler ihn auch fangen kann.

Wie viel kann man auch falsch machen aus Unwissenheit? 

Wenn ich zu viel auf einmal einführen will, verwirre ich den Torhüter. Dinge, die ich neu mache, müssen wiederholt werden; das ist im Mannschaftstraining nicht anders, wenn wir neue Abläufe einstudieren. Wiederholung schafft Verbesserung. Ich kann natürlich auch Fehler wiederholen, aber man sollte dennoch keine Angst haben. Wenn man sich selbst unsicher ist, kann man sich Unterstützung suchen.

Ein Torwarttrainer kostet jedoch vielleicht Geld, das nicht da ist … 

Einige Vereine haben mit sehr viel Erfolg einen Torwarttrainer installiert, der mit allen Teams arbeitet. Da finden sich übergreifend in unregelmäßigen Einheiten Jugend- oder Erwachsenentorhüter zusammen oder der Torwarttrainer kommt vereinzelt auch mal ins Mannschaftstraining. Das ist finanziell oft besser umsetzbar als ein Torwarttrainer pro Mannschaft und es schafft immer noch eine besondere Förderung dieser wichtigen Position.

Denn der große Vorteil, den wir als Torwarttrainer haben: Wir haben weniger Spieler auf einmal im Training und so eine größere Aufmerksamkeit auf jeden einzelnen Torhüter. Das schafft größere Erfolge. Oder, wenn man in der Jugend tätig ist, kann man auch einen Torwart aus den Erwachsenenteams um Hilfe bitten, ob er pro Monat ein- oder zweimal ehrenamtlich vorbeikommen kann.

Was ist aus deiner Erfahrung bei der Einteilung von mannschaftsübergreifenden Trainingsgruppen heraus sinnvoll? 

A- und B-Jugendliche können grundsätzlich – je nach Entwicklungsstand – mit erwachsenen Torhütern zusammen geschult werden. Der D- und C-Jugend-Torhüter braucht hingegen aufgrund der Spielkonzeption eine ganz andere Schulung; er wird viel mehr Durchbrüche parieren müssen, weil in dieser Altersklasse noch keine defensive Deckungsformation gespielt wird.

Daher müssen wir dort den Tempohandball und die Eins-gegen-Eins-Situation – Torwart gegen Werfer – trainieren, im Nahwurfbereich, bei Durchbrüchen und von den Außenpositionen. Beim HSV Hamburg, wo ich aktuell tätig bin, trainieren die Torhüter der U15 separat und die U17, U19 und U21 in einem Team.

Ab welchem Alter ist Torwarttraining generell sinnvoll? 

Ab der D-Jugend werden die Würfe härter und ich brauche mehr Technik, um die Bälle zu halten. Dort sollte man auf jeden Fall beginnen, denn wir haben die Erfahrung gemacht: Wenn ein Torhüter zu spät mit dem Techniktraining beginnt, ist er ab der C-Jugend schnell überfordert, wenn die Würfe härter werden und mehr Bälle über die Außenposition kommen. Je früher sie Technik erlernen, desto schneller werden sie auch einen Spaß am Torwartspiel haben. Und auch der Deutsche Handballbund hat das in der Rahmentrainingskonzeption inzwischen angepasst und nennt die D-Jugend als Startalter für Torwarttraining.

Und in der E-Jugend? 

Da sollte jedes Kind auch mal ins Tor gehen, wenn es das möchte. Man kann den torwartbegeisterten Kindern aber auch schon ein paar Hilfen geben. Sie sollen schulterbreit stehen, die Arme leicht nach oben gebeugt, in den Knien wippend und Hände oben haben, um schnell am Ball zu sein und den Kopf zu schützen. Außerdem gilt: Hände seitlich vor dem Gesicht, denn was du sehen kannst, kannst du kontrollieren.

Abschließend: Was ist das Minimum, das jeder Trainer leisten kann – oder muss? 

Die Torhüter im Training im Blick haben und zu wissen, dass die meisten Torhüter die größten Defizite im Rahmen der Beinarbeit haben. Ihren Mut zu schulen, die Augen möglichst lange offen zu halten, denn umso länger ich den Ball sehe, umso länger werde ich die Möglichkeit haben, ihn zu haben. Und ich verspreche, dass man schnell Erfolge sehen wird. Gerade Vereine, bei denen Torhüter als Torwarttrainer in Jugendmannschaften gekommen sind, haben gute Fortschritte erzielt. Wenn du ehrgeizige Torhüter hast – und das sind die meisten Verrückten, die sich freiwillig ins Tor stellen – wollen sie sich auch verbessern und davon profitiert am Ende die ganze Mannschaft.

„Volle 60 Minuten“ mit Marcus Hurst und Mirko Krag

„Volle 60 Minuten“ mit Marcus Hurst und Mirko Krag

„Volle 60 Minuten“ mit Marcus Hurst und Mirko Krag

November 10, 2024| Marc Fasthoff

Achtung! Schon Morgen am 11.November findet eine neue Ausgabe unserer Online-Fortbildungsreihe „Volle 60 Minuten“ zum Tag des Schiedsrichters statt!

Rede und Antwort werden uns die Elitekader Schiedsrichter Marcus Hurst und Mirko Krag stehen.
Marcus und Mirko werden uns einen Einblick gewähren, wie sie Karriere gemacht haben und was sie dafür leisten müssen – ihr dürft euch auf einen offenen Austausch freuen.

Bringt also unbedingt eure Fragen mit!

🗓️ Montag, 11. November 2024

⏰ 19:00 bis 20:00 Uhr

📌 Der Link für alle Online-Vorträge von „Volle 60 Minuten“ bei » Zoom
Meeting-ID: 815 7660 8634 | Kenncode: 238128

Wir freuen uns auf viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

„Der Schiedsrichter ist selbst sein schärfster Kritiker.“ – Interview mit Kay Holm

„Der Schiedsrichter ist selbst sein schärfster Kritiker.“ – Interview mit Kay Holm

„Der Schiedsrichter ist selbst sein schärfster Kritiker.“ – Interview mit Kay Holm

November 1, 2024| Marc Fasthoff

Kay Holm ist als Leiter Lehre im Schiedsrichterwesen des Deutschen Handballbundes für die Weiterbildung der Unparteiischen zuständig. Der ehemalige Bundesliga-Schiedsrichter ist zudem als Delegierter bei Welt- und Europameisterschaften im Einsatz. Im Interview spricht er über die Denkweise von Schiedsrichtern und populäre Regel-Irrtümer, die ihm im Alltag immer wieder begegnen …

Kay, wenn du Trainern erklären müsstest, wie ein Schiedsrichter denkt: Was würdest du ihnen sagen?

Ein Schiedsrichter denkt: Ich will mein Bestes geben und ich will keinen Fehler machen. Schiedsrichter haben den Hang zum Perfektionismus. Das leben sie aus, Schiedsrichter kritisieren sich selbst am härtesten. Dass ein Trainer Fehler bei den Schiedsrichtern anmerkt und einfordert, diese zu erklären, ist daher oft nahezu wirkungslos, weil der Schiedsrichter das selbst tut. Der Schiedsrichter ist selbst sein schärfster Kritiker. Und, was man sagen muss …

Ja?

… ohne besserwisserisch klingen zu wollen: Schiedsrichter sind üblicherweise Experten auf ihrem Gebiet, genau wie Trainer in ihrem Bereich. Die Trainer formen Spieler und Mannschaften und erklären ihnen das Spiel und die Schiedsrichter kennen sich eben im Regelwerk besonders gut aus. Manchmal ist es leider das Manko, dass Schiedsrichter während des Spiels, ihre Arbeit jedoch nicht so gut erklären können, weil sie gerade in Action sind.

Wie meinst du das?

Schiedsrichter sprechen eine andere Sprache als Trainer, sie nutzen oft kurze Gesten anstatt Worte, denn das Spiel soll ja weitergehen. Und durch die andere Sprache verstehen sich die Beteiligten leider nicht immer und es entstehen Konflikte. Es bedarf guter Kommunikation und Verständnis für die Perspektive des Gegenüber. Hinzu kommt, dass es keine Zieldeckung gibt.

Keine Zieldeckung?

Fotoquelle: privat

Die beiden Trainer möchten jeweils das Spiel gewinnen, den Schiedsrichtern ist es egal, wer das Spiel gewinnt. Der Schiedsrichter will einfach fehlerfrei pfeifen. Der höchstmögliche Wert ist Neutralität. Im Volksmund werden Schiedsrichter oft genug als Unparteiische bezeichnet und das trifft es ganz gut.

Was folgt daraus für eine Empfehlung an die Trainer?

Wir kommen einen Schritt weiter, wenn die Trainer zu einem Perspektivwechsel bereit sind; wenn sie in der Lage sind, die Rollen-Perspektive des Schiedsrichters einzunehmen und mit seiner Brille die Spielleitung oder auch einzelne Entscheidung zu betrachten. Dazu kann es, ganz wörtlich betrachtet, auch gehören, sich die räumliche Perspektive bewusst zu machen. Der Schiedsrichter hat in der Regel eine ganz andere Position als der Trainer, einen anderen Blickwinkel, aus der er die Aktion bewertet. Als Trainer muss in der Lage sein, dies zu akzeptieren.

Wie sehr fordert ihr von euren Schiedsrichtern, sich umgekehrt in die Perspektive des Trainers zu versetzen?

Die Schiedsrichter müssen unbedingt in der Lage sein, das Spiel aus Sicht des Sportlers bzw. des Trainers zu sehen, das fordern wir von ihnen. Sie müssen ein Verständnis für das Spiel haben – und ebenso ein Verständnis, dass der Trainer aus seiner räumlichen Perspektive von der Bank aus die Dinge anders sieht – und vielleicht sogar durch den anderen Blickwinkel recht haben könnte. Wenn da gegenseitige Verständnis vorhanden ist, ist der Umgang leichter und nicht so konfliktträchtig.

Und als Schiedsrichter kann es durchaus mal helfen, sich eine Position an der Seitenlinie zu suchen und einen ähnlichen Blickwinkel wie der Trainer einzunehmen. Das sollte man bei der Suche nach der besten Position, um seine Entscheidung treffen zu können, nicht außer acht lassen.

Du arbeitest mit den Schiedsrichtern im Spitzenbereich. Was ist auf dieser Ebene der häufigste Wunsch, der von Trainern an euch herangetragen wird?

Das Thema Kommunikation ist gerade in aller Munde, gerade im Profibereich. Der Wunsch ist es, dass die Schiedsrichter das Spiel leiten, dass sie es managen, indem sie das Spiel zulassen und sich möglichst wenig einmischen, aber zugleich mit den Spielern zu sprechen und sich durch kurze, auch nonverbale Signale zu erklären. Das ist Leadership, das von unseren Schiedsrichtern verlangt wird: Spieler und Mannschaften mit Kommunikation durch ein Spiel zu begleiten und es dabei in Balance zu halten; auf beiden Seiten gerecht zu entscheiden und beide Mannschaften gleich zu behandeln.

Das ist jetzt sehr, entschuldige den Ausdruck, schwammig. Was sind konkrete Irrtümer, die dir immer wieder begegnen?

Da fällt mir direkt die „Doppelbestrafung“ ein. Der Begriff kommt oft von Trainern und auch von Fernsehkommentatoren und Experten. Ich möchte daher auch an dieser Stelle unbedingt klarstellen: Siebenmeter und Zeitstrafe sind keine Doppelbestrafung! Es sind zwei unterschiedliche Regeln, die von den Schiedsrichtern zur gleichen Zeit angewendet werden.

Der Siebenmeter ist ausschließlich dafür da, die Spielfortsetzung zu bestimmen. Wenn ein Spieler bei einer klaren Torgelegenheit regelwidrig am Wurf gehindert wurde, wird mit einem Siebenmeter weitergespielt; das Spiel wird auf diese Art und Weise fortgesetzt; so, wie es nach einem normalen Foul mit einem Freiwurf weitergeht. Wenn das Foul bei einer klaren Torgelegenheit so deftig war, dass es eine Strafe braucht – ob Zeitstrafe oder Disqualifikation – handelt es sich dabei um die persönliche Strafe für den foulenden Spieler. Dass ein Siebenmeter als zusätzliche Strafe gesehen wird, ist ein Irrtum, der immer wieder falsch im Sprachgebrauch auftaucht.

Die Erklärung klingt so routiniert, als hättest du sie schon öfter abgegeben …

Das ein oder andere Mal (lacht). Manchmal ist es echt abenteuerlich, welche Irrtümer oder Annahmen in den Köpfen verankert sind, selbst im Bundesligabereich.

Hast du noch ein Beispiel?

Das Zeitspiel. Der Name ist schon irreführend, weil es keine zeitliche Befristung für eine Angriff gibt. Es kommt ja vielmehr darauf an, was eine angreifende Mannschaft tut, um einen erfolgreichen Abschluss auf das Tor zu bekommen. Es kommt also auf die Aktivität an, nicht auf die Tatsche, ob das Team 30, 40 oder 50 Sekunden spielt. Es wird immer wieder von Tribünen oder Bänken gefordert: „Der Angriff läuft jetzt schon 45 Sekunden, das muss Zeit sein!“ Das lässt sich so pauschal nicht betrachten. Wenn die Abwehr das Spiel immer wieder durch Fouls unterbricht und die Angreifer dadurch gar nicht dazu kommen, ein Angriffsspiel aufzuziehen, ist die Forderung des passiven Vorwarnzeichens, weil der Angriff schon lange dauert, nicht durch das Regelwerk gedeckt. Entscheidend ist, ob die angreifende Mannschaft Willens und in der Lage  ist, ein Tor zu erzielen.

Das Gegen-Argument dürfte lauten: Abwehrarbeit muss doch aber belohnt werden …

Ja, regelgerechte Abwehrarbeit – und ein ständiges Festmachen mit Fouls ist keine regelgerechte Abwehrarbeit. Wir wollen beispielsweise ein gutes Verschieben und schnelle Beine belohnen. Wenn ich jedoch immer nur den Ballführer sofort klammere, dann ist das zwar Abwehrarbeit, aber keine regelgerechte Abwehrarbeit und auch kein passives Spiel. Auch Abwehr durch den Kreis ist oft ein Diskussionsthema.

Weil immer wieder der Siebenmeter gefordert wird?

Genau. Es heißt dann: „Das muss Siebenmeter sein, die Abwehr steht im Kreis.“ Es geht jedoch nicht allein um das Betreten der Linie oder des Torraums, sondern darum, zu erkennen, ob eine Spielsituation des Angreifers verhindert worden ist, indem sich der Abwehrspieler durch das Betreten einen Vorteil verschafft hat. Wenn es zu einem Zusammenprall kommt, wird oft Stürmerfoul moniert, aber die Schiedsrichter geben Siebenmeter, weil die Situation des Zusammenpralls nur entstehen konnte, weil sich der Abwehrspieler zuvor durch den Torraum bewegt hat.

Das ist aber auch eine der prädestinierten Fifty-Fifty-Entscheidungen …

Das stimmt. Es gibt aber auch Situationen, wo der Torraum betreten wird und es keinen Siebenmeter gibt – das ist das normale dynamische Verhalten im Rahmen des Handballspiels. Es prallen Körper aufeinander und dieser Kontakt ist auch erlaubt, aber wenn der Abwehrspieler durch diese Dynamik mit den Hacken auf der Linie steht, darf es keinen Siebenmeter geben, weil er dadurch keinen Vorteil hat. Es wäre trotzdem zu dieser Foulsituation gekommen wäre. Das ist ganz klar kein Vorteil, da gibt es einen Freiwurf. Das bloße Betreten der Linie genügt nicht für einen Siebenmeter

Wie frustrierend ist es aus Schiedsrichtersicht, dass einem immer wieder die Kompetenz abgesprochen wird?

Ich bin lange in diesem Bereich und kann nur sagen: Man lebt damit (schmunzelt). Je höher man unterwegs ist, umso größer ist oft eine gegenseitige Anerkennung und Wertschätzung gegeben. Und häufig wächst das Verständnis, wenn Trainer im Training selbst pfeifen (lacht). Mir haben Trainer danach schon öfter gesagt, dass selbst diese Viertelstunde im Training ganz schön schwierig ist und die Spieler mit dem pfeifenden Trainer über seine Entscheidungen diskutiert haben. Das ist ein wunderbarer Perspektivwechsel!

Worauf kommt es im Verhältnis zwischen Schiedsrichter und Trainer an?

Respekt und Anerkennung im gegenseitigen Austausch. Wenn man die Arbeit des anderen anerkennen und den anderen als Experten anerkennen kann, hilft das und macht das gegenseitige Feedback wertvoller. Ich kann auch Trainern unterhalb der Bundesliga nur empfehlen, den Austausch zu suchen und sich mit Fragen an Schiedsrichter oder Schiedsrichterwarte in ihrem Landesverband oder Verein zu wenden. Bundesligatrainer suchen den Kontakt auch immer wieder und stellen Fragen. Es geht um den Handballsport, das hilft allen.

Zum Abschluss eine Frage an den langjährigen Schiedsrichter-Experten: Stimmt eigentlich das Klischee, dass Schiedsrichter, die selbst noch spielen, am schwierigsten zu pfeifen sind?`

Ja, weil sie die Entscheidungen vorher wissen und versuchen, sie zu beeinflussen, bevor der Pfiff kommt.

Was?

(mit einem Augenzwinkern) Das ist die goldene Regel, das können sich auch die Trainer abspeichern. Die Entscheidung während des Spiels zu bemängeln, nachdem der Schiedsrichter gepfiffen hat, macht keinen Sinn. Da ist die Entscheidung gefallen und gute Schiedsrichter fallen nicht um. Sie nehmen daraus vielleicht etwas für die nächste Situation mit, aber die Entscheidung selbst bleibt bestehen; den Videobeweis an dieser Stelle bewusst ausgeklammert, es geht um normale Entscheidungen. Wenn du jedoch einen Schiedsrichter als Spieler auf dem Feld hast, macht er seine Bemerkung vor dem Pfiff in der Hoffnung, dadurch einen für die eigene Mannschaft positiven Einfluss auf die Entscheidung zu nehmen. Das macht es so schwierig, als Schiedsrichter einen anderen Schiedsrichter zu pfeifen, weil er weiß, wie du denkst (lacht).