„Ich habe schnell Feuer gefangen.“ Interview mit DHTV Vorstand Christof Armbruster

Der früherer Bundesligaspieler Christof Armbruster ist in der Deutschen Handball Trainer Vereinigung (DHTV) als Vorstand Leistung / Breitensport engagiert. Im Interview spricht er über sein Engagement in der DHTV – und seine Begeisterung für Rollstuhlhandball …

Christof, worauf dürfen sich die Mitglieder der DHTV im neuen Jahr freuen?

Die Planung läuft und wir werden nach und nach die Termine bekannt geben. Im Bereich der Schiedsrichter hat Marc seine Serie „Volle 60 Minuten“ bereits gestartet; es gab inzwischen zwei Termine. Das wollen wir in diesem Jahr auch auf die Trainer ausweiten.

Außerdem haben wir natürlich die beiden Final-Four-Turniere in Champions League und DHB-Pokal, die wir mit unseren Mitgliedern begleiten – und dann gucken wir, was wir darüber hinaus noch umsetzen. Es ist unter anderem in der Planung, dass wir die Fortbildungen des DHB jeweils mit einer Person begleiten, um als DHTV präsenter zu werden.

Privat

Was hast du dir auf die Agenda gesetzt?

Ich will zum einen bei der Junioren-WM in Hannover und Magdeburg präsent sein. Und ansonsten ist mein persönliches Projekt, bei dem ich mich einbringen will, der Rollstuhlhandball. Ich bin da seit einiger Zeit engagiert und habe das Thema auch im Vorstand schon angesprochen.

Warum gerade Rollstuhlhandball?

Ich bin eigentlich eher zufällig bei dem Thema gelandet, aber ich habe schnell Feuer gefangen. Auch, als ich es in unserem Landesverband als Fortbildung angeboten habe, waren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sofort begeistert. Viele wissen jedoch weiterhin gar nicht, dass es diese Sportart überhaupt gibt. Es gibt Rollstuhlbasketball und Rohlstuhlrugby bei den Paralympics, aber von Rollstuhlhandball haben selbst viele Handballer noch nichts gehört. Dabei sind alle, die es spielen, auch begeisterte Handball-Fans; es ist der gleiche Sport. Ich würde mir daher wünschen, dass der Sport eine höhere Akzeptanz gewinnt und dafür will ich mich einsetzen.

Was heißt das?

Privat

Wir wollen die Sportart deutschlandweit voranbringen. Der Rollstuhlhandball in Deutschland steckt noch in den Kinderschuhen, die Niederlande und Frankreich sind viel weiter als wir. Es wäre wichtig, dass wir mehr Spielmöglichkeiten schaffen, was wahrscheinlich eher in den Ballungsräumen als im ländlichen Raum gelingen wird. Aktuell gibt es in Deutschland erst vier bis fünf Vereinsteams. Irgendwann ist das Ziel, eine Art Bundesliga zu kreieren. Da sitze ich im Expertenrat. Und wir wollen eine Nationalmannschaft aufstellen und an einer Welt- oder Europameisterschaft teilnehmen. Das geht aber im Moment leider nicht?

Warum nicht?

Der Rollstuhlhandball ist in Deutschland aktuell beim Deutschen Rollstuhlsportverband angesiedelt und nicht beim Deutschen Handballbund. Erst, wenn der Rollstuhlhandball unter dem Dach des DHB untergebracht ist, können wir ein Nationalteam bilden und an den Großturnieren teilnehmen. Das wollen wir erreichen und dafür setzen wir uns ein.

Eine grundlegende Frage: Wie funktioniert Rollstuhlhandball eigentlich?

Es wird auf einem normalen Handballfeld gespielt, mit einem Torhüter und fünf Feldspielern. Das Tor ist abgehängt, denn der Torwart sitzt ja auch im Rollstuhl und käme sonst nicht in die oberen Ecken. Du darfst den Ball in den Schoß legen und dreimal anschieben, das entspricht den drei Schritten. Ansonsten kannst du prellen, passen, werfen – eben ganz normale Handballregeln. Es ist nicht besonders schwierig, sich als Handballer in diese Variante reinzudenken – die größte Herausforderung ist es, das Rollstuhlfahren zu erlernen.

Das klingt, als sprichst du aus eigener Erfahrung?

Man glaubt es vielleicht nicht, aber das ist wirklich anspruchsvoll. Du bist zwar im Rollstuhl festgeschnallt und kannst nicht rausfallen, aber für den Schulter- und Armbereich ist es anstrengend, wenn man das nicht gewohnt ist. Da sind die Spieler, die jahrelang im Rollstuhl sitzen, im Vorteil. Bei einem Turnier, das wir im Oktober in Baden-Baden veranstaltet haben, wurde ich immer wieder von meinem Gegenspieler abgeblockt, er fuhr wirklich fantastisch. Ich hatte keine Chance, in das Spiel einzugreifen.

Das heißt, um mit einem Vorurteil aufzuräumen: Für Rollstuhlhandball muss man nicht im Alltag im Rollstuhl sitzen?

Nein, Rollstuhlhandball können alle gemeinsam spielen, das ist das Schöne an dem Sport. Männer und Frauen, Junge und Alte, mit Handicap oder nicht: Es ist absolut inklusiv. Und anders als im Rollstuhlbasketball oder -rugby gibt es auch keine Einstufungen der Handicaps. Wir haben in unserer Mannschaft einen Spieler mit einer Beinamputation und einen jungen Handballer, der seit einem Unfall querschnittsgelähmt ist. Jetzt hat er durch den Rollstuhlhandball die Möglichkeit, wieder Handball zu spielen. Solange die Schulter und der Wurfarm mitmachen, kann man mitspielen (lacht).

An wen können sich Leute wenden, die Interesse oder Fragen zum Rollstuhlhandball haben?

Es gibt eine Internetseite, rollstuhhlhandball.de, dort findet man Informationen und Ansprechpartner. Ansonsten stehe ich auch gerne für Fragen zur Verfügung oder vermittle Kontakt, da ich inzwischen ganz gut vernetzt bin. Dann können wir gemeinsam schauen, was sich organisieren lässt. Rollstuhlhandball ist relativ kostspielig, da ein Rollstuhl zwischen 2.000 und 3.000 Euro kostet. Wenn man zehn bis zwölf Rollstühle für eine Mannschaft braucht, kommt da schnell eine hohe Summe zusammen.

Aber in großen Städten und Vereinen, wo eventuell schon Rollstuhlbasketball gespielt wird, gibt es vielleicht Anknüpfungspunkte. Und ansonsten braucht es eine Initialzündung. Ähnlich war es damals auch bei uns: Wir haben als Südbadischer Handballverband gemeinsam mit dem Badischen Behindertensportverband eine Trainingsgruppe organisiert und ein bisschen herumgefragt – und konnten dann ein Team gründen.

Wo gibt es in Deutschland noch Mannschaften?

Beispielsweise in Hannover und Aachen. Die beiden Teams waren im Oktober bei unserem Turnier zu Gast, die weiteren Teams kamen aus Frankreich und Belgien – und auch die Nationalmannschaft der Niederlande war dabei. Das hat allen richtig Spaß gemacht!

Wie setzt sich euer Team zusammen?

Wir sind bunt besetzt: Wir haben sehr gute Rollstuhlfahrer, denen noch ein bisschen die Spielfähigkeit im Handball fehlt – und umgekehrt haben wir Leute, die klasse Handballer sind oder waren, aber noch nicht gut Rollstuhl fahren können (lacht). Das Schöne am Rollstuhlhandball ist aber, dass man schnell Fortschritte macht. Man muss sich zwar erst einmal gewöhnen, aus dem Sitzen zu werfen, aber danach kommt man schnell rein.

Wer sich Rollstuhlhandball mal anschauen möchte, kann am 07. Januar gerne in Alfeld vorbeikommen. Wir haben mit den All Stars um Christian Schwarzer ein Benefizspiel und werden vorher in gemischten Teams ein Promotion-Event machen – wir bilden aus den Rollstuhlhandball-Spielern der RSG Hannover und den All-Star-Spielern zwei gemischte Teams und spielen gegeneinander.

Kommen wir abschließend noch einmal auf die DHTV und deine Position zu sprechen: Warum engagierst du dich in der DHTV?

Ich bin schon seit 2007 Mitglied in der DHTV und kannte Pitti (Klaus-Dieter Petersen, Anm. d. Red.), weil wir lange die Jugend-Nationalmannschaft zusammen trainiert haben. Als Pitti Vorsitzender wurde, hat er Mitstreiter gesucht – und als er mich gefragt hat, war für mich klar, dass ich das mache.

Welchen Background bringst du mit?

Ich habe 15 Jahre in der 1. und 2. Bundesliga gespielt und war anschließend über 20 Jahre Verbandstrainer in Südbaden. Zusammen mit Pitti habe ich wie gesagt die Jugend-Nationalmannschaft trainiert und ich war auch auf Vereinsebene als Trainer und Co-Trainer unterwegs, unter anderem während der Bundesligazeit beim TuS Schutterwald und beim Nachwuchs der Rhein-Neckar-Löwen. So habe ich viel Erfahrung gesammelt. Außerdem bin ich als Vize-Präsident für die Lehre im Südbadischen Handballverband zuständig – dazu gehört es, Traineraus- und -fortbildungen zu organisieren und auch selbst zu referieren.

Was ist aus deiner Sicht der Mehrwert der DHTV?

Das Wichtigste ist das Netzwerk, du findest viele neue Kontakte. Das ist als Trainer sehr wichtig. Natürlich lernt man auch auf Fortbildungen neue Kollegen kennen, aber das ist oft lokal. Vor Corona war unsere Fortbildung in Merzig immer ein Highlight für mich, als aus ganz Deutschland die Mitglieder zusammenkamen und wir uns innerhalb der DHTV-Community austauschen konnten. Neben dem Service, den die DHTV bietet – beispielsweise die Vermittlung von Experten und die Hilfestellung bei verschiedenen Fragen – ist es aus meiner Sicht ein wichtiges Element unserer Arbeit, den Austausch untereinander zu ermöglichen und zu forcieren.