„Die eigene subjektive Meinung objektiv unterfüttern.“ mit Dr. Frowin Fasold

Dr. Frowin Fasold arbeitet am Institut für Trainingswissenschaft und Sportinformatik der Deutschen Sporthochschule Köln (DSHS). Für das Buch „Spielanalyse im Sportspiel“ (ISBN: 978-3-662-63443-1) hat der Diplom-Sportwissenschaftler das Kapitel über Spielanalyse im Handball verfasst. Seit 2019 ist der A-Lizenz-Inhaber zudem Jugend-Nationaltrainer des Deutschen Handballbundes im Beachhandball. Fasold führte die weibliche U18-Nationalmannschaft ins Halbfinale der U17-Europameisterschaft 2021 und zur U18-Weltmeisterschaft 2022.

Im Interview spricht Fasold über die Bedeutung der Spielanalyse im Handball, erläutert die verschiedenen Dimensionen und gibt Empfehlungen für Trainerinnen und Trainer.

Frowin, steigen wir direkt ein: Welchen Stellenwert nimmt die Spielanalyse im Handball ein – auch im Vergleich zu anderen Sportarten?

Wir wissen natürlich nicht genau, welche Budgets die Handballvereine speziell für die Spielanalyse zur Verfügung stellen können, aber realistisch dürfte es nicht mit dem Fußball zu vergleichen. Das geht übrigens allen Sportarten so, aber im Handball hat die Spielanalyse bisher auch keine so große Rolle gespielt wie im Basketball. Der Basketball ist amerikanisch geprägt, wo die Spielanalyse alleine von der medialen Aufmachung sehr wichtig ist. Dort wird versucht, alles über Statistiken zu erklären.

Du siehst also durchaus noch Potenzial?

Wir sind sicherlich noch nicht so weit wie es andere Sportspiele sind. Obwohl das Thema in den letzten Jahren an Aufmerksamkeit gewonnen hat, wird im Handball im Vergleich wenig Geld investiert. Hauptamtliche Spielanalysten finden sich nur in wenigen Vereinen. Viele Trainer führen die Analyse weiterhin selbst durch, weil man es aus unserer Sportart nicht anders kennt.

Mit dem Handball Performance Index (HPI) versucht die Handball-Bundesliga den „amerikanischen Weg“, indem sie Statistiken vermarktbar gestalten will …

Ähnliche Ansätze gab es immer wieder. Wir haben bereits vorher in Forschungsarbeiten sehen können, dass sich die Werte, die wir über einen Spielwirksamkeitsindex ausgerechnet haben, oft mit der subjektiven Meinungen decken. Jetzt wurde es das erste Mal populär aufgezogen und das ist sicherlich ein großer Schritt, weil viele Trainer dadurch neue Impulse erhalten, wie sie ihre subjektive Meinung mit objektiven Daten abgleichen können. Denn das berühmte Bauchgefühl eines Trainer wird immer von subjektiven Eindrücken verzerrt; mit Tools wie dem HPI oder anderen Anwendungen lässt sich die individuelle Spielerleistung hingegen messbar machen. Diese Daten während und nach dem Spiel zielgerichtet zu nutzen, wäre die nächste Stufe.

Machen wir einen Schritt zurück: Jeder Trainer hat zum Begriff „Spielanalyse“ automatisch eine Vorstellung im Kopf. Was gehört aus deiner Sicht alles zur Spielanalyse? 

Aus meiner Sicht hat die Spielanalyse zwei Aspekte. Erstens lässt sich die Analyse als Diagnostiktool für die eigene Leistung sehen, aus der ich Dinge für mein Training ableite.  Wenn ich Training als zielgerichtete Maßnahme definiere, um meine Leistung zu verbessern, muss ich mich in der Spielanalyse fragen: Welche Erkenntnisse kann ich gewinnen, um die Leistung zu steigern? Ganz einfach ausgedrückt: Wenn mir die Spielanalyse zeigt, dass die Anzahl der technischen Fehler extrem hoch ist, sollte ich versuchen, diese Quote zu verringern, indem ich an grundlegenden Fähigkeiten wie Fangen und Passen arbeite.

Und der zweite Aspekt?

Das ist die, gerade für den Leistungssport bedeutsame, Diagnostik des Wettkampfes in Bezug auf den Gegner – sprich die klassische Spielvorbereitung. Man sollte beide Aspekte nicht vermischen, damit man das Ziel seiner Analyse nicht aus den Augen verliert. Um auch hier ein einfaches Beispiel zu nennen: Eine detaillierte Wettkampfanalyse des Gegners in der C-Jugend ist nicht sinnvoll, da der Fokus auf der eigenen Mannschaft liegen sollte.

Was für eine Chance bietet die Spielanalyse – unabhängig davon, in welcher Ausprägung – im Amateurhandball bzw. im semiprofessionellen Bereich?

Die erste Spielanalyse ist zunächst immer die Spielanalyse, die im Kopf des Trainers läuft. Unser Gehirn führt Statistiken implizit mit, über Heuristiken entsteht ein Bild im Kopf und darauf fußt unsere Meinung. Unser subjektiver Eindruck kann aber natürlich, ich habe es eben bereits angedeutet, verzerrt sein. Kognitive Verzerrungen sorgen dafür, dass beispielsweise emotional wirksame Aktionen gewisse Dinge in den Hintergrund drängen.

Hast du  ein Beispiel?

Wenn mein Spieler beispielsweise den Ausgleichstreffer erzielt, vermerke ich das in der Regel als eine sehr, sehr gelungene Aktion, aber ich verdränge dadurch oft die drei schwachen Aktion in den Minuten zuvor. Das führt dazu, dass ich einen Spieler vielleicht nicht auswechsele, obwohl es rein objektiv eigentlich angemessen wäre. So ist unser Gehirn nun einmal gestrickt (lacht).

Sprich: Die Spielanalyse hilft mir als Trainer, mein Gehirn auszutricksen?

Ich würde es nicht austricksen nennen, sondern sagen, dass die Spielanalyse hilft, die eigene subjektive Meinung objektiv zu unterfüttern. So kann ich den richtigen Athleten loben oder in die Diskussion holen, ohne mich alleine auf mein Bauchgefühl verlassen zu müssen.

Das Bauchgefühl ist schnell verzerrt; unabhängig davon, wie viel Erfahrung ich habe. Wenn ich der Meinung bin, dass ein Spieler eine schwache Leistung gebracht hat, aber die Analyse etwas anderes zeigt, dann kann ich mit mir selbst in die Kritik gehen, bevor ich mich vor die Mannschaft stelle.

Der Mehrwert einer Spielanalyse ist daher aus meiner Sicht klar. Lediglich im Kinderhandball und im jüngeren Jugendhandball bin ich skeptisch, denn jede Minute, die man mit der Analyse verbringt, könnte ich mit dem Ball in der Halle verbringen, was in dem Altersbereich deutlich sinnvoller ist!

Ab welcher Leistungsklasse sollte die Spielanalyse zum eigenen Anspruch gehören?

Das ist wissenschaftlich ganz schwer zu beantworten. Basierend auf meiner Erfahrung würde ich sagen: Jede Ligastufe, die ich nach oben komme, ist eine Spielanalyse fünf Minuten wirksamer. Wenn ich in den untersten Klassen die Gegner analysiere und darauf basierend einen Matchplan aufstelle, ist dieser nach fünf Minuten meistens hinfällig und es geht nur darum, wer sein Spiel durchbringt.

Gehe ich eine Liga höher, sind es vielleicht schon zehn Minuten – und bin ich in der 3. Liga, heißt es „nur noch“ die letzten 15 Minuten kämpfen und beißen. Im höchsten Leistungsbereich ist es dann selbstverständlich, dass die Athleten so weit trainiert sind, dass sie spielanalystische Strukturen bis zur letzten Sekunde parat haben. Das ist dort die Anforderung.

Aufgrund dieser Abstufungen wird deutlich, wie viel Zeit ich investieren sollte. Es ist auch im Breitensport sicherlich relevant zu wissen, was der Gegner gut kann und und wie ich aufgrund meiner eigenen Fähigkeiten und Stärken damit umgehen kann. Zu viele Details sind allerdings nicht wertvoll, weil ich oft nicht weiß, wie der Gegner antritt. Das verändert sich im unteren Leistungsbereich in den 24 Stunden vor dem Anpfiff teilweise noch im Stundentakt (lacht).

Wenn die Mittel fehlen, um einen speziellen Spielanalytiker zu sich in das Trainerteam zu holen – wie kann sich ein Trainer fortbilden, der gerne mehr über das Thema Spielanalyse lernen würde?

Es gibt verschiedene Workshops – allerdings vor allem aus anderen Sportarten wie Basketball und Fußball. Im Handball wäre mir eine spezielle Aus- oder Fortbildung im Bereich Spielanalyse nicht bekannt. An der Deutschen Sporthochschule haben wir einen berufsbegleitenden Weiterbildungsmaster zum Thema Spielanalyse (mehr Informationen hier); zudem gibt es natürlich viel Literatur.

Man kann auch bei Coaches aus Nachbarvereinen oder dem Zweit- oder Drittligisten aus der Region anfragen, ob man hospitieren darf. Bevor ich allerdings mit viel Aktivismus loslege, mich mit der Spielanalyse zu beschäftigen, sollte ich mir Gedanken machen, was ich genau brauche und mit was ich arbeiten möchte.

Inwiefern?

Dass ich als Trainer über den Gegner Bescheid wissen sollte, versteht sich von selbst, aber wie ich mit diesen Informationen umgehe, ist unterschiedlich. Denn per se mehr Informationen zu teilen, heißt nicht, dass es besser wird. Die Informationen müssen zum Spielkonzept, der Spielphilosophie und dem Coaching-Stil passen. Außerdem darf man die Aufwand-Nutzen-Rechnung nicht vergessen.

Ich glaube, das ist der Punkt, an dem sich viele Trainer vertun. Sie investieren beispielsweise im Oberliga-Bereich unheimlich viel Zeit und sammeln viele Daten, aber am Ende ist der Mehrwert nicht vorhanden, weil es im Spiel nicht anwendbar ist bzw. die eigene Mannschaft es nicht umsetzen kann.

Hättest du erneut ein Beispiel?

Die personellen Schwankungen sind selbst im Oberliga-Bereich noch deutlich größer als im Leistungsbereich. Wenn ich also mit vielen Analyse-Stunden ein detailliertes Wurfbild des Siebenmeterschützen erstellt habe, dieser aber aufgrund einer Urlaubsreise fehlt oder einfach ein anderer Spieler antritt, habe ich viel Zeit umsonst aufgewendet. Daher sollte sich jeder Trainer genau klarmachen – sowohl in der Gegnerdiagnostik als auch in der Diagnostik der eigenen Mannschaft -, wie viel er investieren will … und was sich überhaupt lohnt.

Wir haben bisher in erster Linie über die Gegneranalyse gesprochen. Worauf kommt es, pauschal gesprochen, bei der Auseinandersetzung mit der eigenen Leistung besonders an?

Man sollte es möglichst einfach halten, wenn ich mich unterhalb des professionellen Bereichs bewege. Für die individuellen Analysen und eventuell sogar das darauf basierende Individualtraining, was im Profibereich an der Tagesordnung ist, habe ich  darunter weder die Zeit noch die Manpower.

Daher wäre eine visualisierte Wettkampfanalyse wertvoll – und den Spielern anhand von drei oder vier Szenen kurz und bündig Bereiche aufzuzeigen, wo noch Potenzial besteht. Es ist auch lohnenswert, immer eine positive Aktion zu zeigen, um die dort gefundene Lösung zu bestärken. Ich kann auch die kurzen Videoclips einfach in die Whats-App-Gruppe stellen und die Mannschaft einbinden, indem ich frage: Was haben wir hier für Fehler gemacht und wie stellen wir diese ab? So wäre eine dauerhafte Progression im Lernbereich zu erreichen.

Und das eingangs bereits gefallene Stichwort Datenanalyse? Sprich: Lohnt es sich, die Statistiken zu erheben? 

Das kann definitiv ein wertvolles Tool in der Analyse sein, um der Mannschaft zu helfen. Wenn ich beispielsweise ein hohes Tempospiel forcieren will, hilft es, nach jedem Spiel zu wissen, wie die Erfolgsquote im Gegenstoß war. Und wenn ich als Tempo-Mannschaft nur drei Gegenstöße gelaufen bin, ist die Wahrscheinlich nicht hoch, dass wir das Spiel gewonnen haben.

Kurz gesagt: Die Zahlen ermöglichen es, die eigenen Stärken zu betonen und Schwächen aufzudecken – wie beispielsweise über die bereits erwähnte Anzahl der technischen Fehler. Daher lohnt es, die klassische Strichliste während des Spiels zu führen – ob auf Papier oder in einer App. Allerdings ist es nicht möglich, alles zu dokumentieren; dazu ist Spiel zu komplex. Daher sollte man sich auf das fokussieren, was man gebrauchen kann.

Eine Strichliste auf Papier klingt angesichts der digitalen Möglichkeiten etwas aus der Zeit gefallen …

Es gibt sicherlich sehr gute Spielanalyse-Software, aber das ist letztendlich eine digitale Strichliste mit eingebettet Videos. Dennoch kann ich jedem Trainer nur empfehlend, sich auf dem Softwaremarkt kundig zu machen, denn die Systeme können einem das Leben gerade in Punkto Videoschnitt durchaus sehr einfach machen.

Diese sollte ich übrigens auch bei meiner Strichliste auf Papier im Hinterkopf haben. Natürlich ist jemand, der zehn Tore wirft, in irgendeiner Art und Weise spielwirksam; wenn er allerdings in den letzten fünf Minuten fünf Fehler macht, muss ich diese zehn Tore relativ sehen. Daher schadet es nicht, neben meinen Torstrich auf dem klassischen Klemmbrett auch Spielzeit und Spielstand notiert zu haben.

Was sollte man bei der Spielanalyse noch im Blick haben?

Es lohnt sich, genau zu definieren, was man von seiner Mannschaft sehen möchte, denn letztendlich geht es in der Spielanalyse um eine Quantifizierung von Handlungen. Wir müssen Handlungen daher einen Wert zuordnen, wenn wir sie in der Spielanalyse messbar machen wollen. Das ist im Angriff oft gut möglich, in der Abwehr hingegen schwieriger. Denn wie definiere ich einen gewonnenen Zweikampf?

Wenn der Abwehrspieler in einer Eins-gegen-Eins-Situation den Durchbruch verhindert hat?

Stimmt, das klassische Stoppfoul wird oft als Erfolg gesehen, weil der Abwehrspieler das Angriffsspiel unterbrochen hat. Ich würde das hingegen nicht immer als gewonnene Zweikampf definieren, weil der Gegner immer noch den Ball hat. Ich habe daher nur bedingt etwas erreicht.

Also wäre es stattdessen ein Erfolg, wenn ich in der Analyse des Gegners ausgemacht habe, dass sie ihren erfolgreichsten Ablauf durch Druck von der Außenposition beginnen – und mein Außenspieler den gegnerischen Außenspieler presst und damit den Ablauf unterbindet?

Exakt, das wäre eine erfolgreiche Spielhandlung! Es wäre beispielsweise auch ein Erfolg, wenn ich mit sehr guter Beinarbeit meine Position zwischen Gegner und Tor behaupte, sodass er keinen Spielvorteil hat. Das ist allerdings eine sehr komplexe und sehr subjektive Bewertung – um das zu messen, bräuchte man ein sehr gut geschultes Scouting-Auge oder sogar eine künstliche Intelligenz.

Es gibt in diesem Bereich erste Ansätze, wie man die Spielanalyse unterstützen bzw. automatisieren kann. Dafür sind allerdings extrem viele Daten notwendig, die über Tracking in ein System einfließen müssen. Aktuell ist die künstliche Intelligenz noch nicht so weit, dass sie einen Mehrwert für die Praxis haben. Es gibt noch keinen Knopf, auf den man in der Halbzeit drücken kann und die KI sagt dir: So müssen wir das jetzt machen.

Daher ist es wichtig, gemeinsam mit der Mannschaft klare Definitionen zu entwickeln, sodass jeder weiß: Das ist für uns ein gewonnener Zweikampf – oder das zählt als Parade. Das hilft sowohl in der Ansprache und erleichtert zudem die Spielanalyse.

Stichwort Parade: Die Quote der Torhüter als Nachweis für ihre Leistung ist allgemein bereits akzeptiert. Jetzt sagst du: Man sollte erst einmal definieren, was eine Parade ist?

Es gibt Torhüter, die kaum über 25 Prozent kommen und andere liegen regelmäßig über 40 Prozent: Das lässt sich nicht nur mit Leistungsunterschieden erklären. Aus meiner Sicht reicht es eben nicht, als Parade beispielsweise pauschal alle Bälle aufzuschreiben, die der Torwart berührt hat. Das wird seiner Leistung nicht gerecht. Andererseits vermittelt es auch ein falsches Bild, ihm alles als Parade zu definieren, was nicht ins Tor ging.

Was wäre deine Lösung?

Ich empfehle einen Brutto- und einen Nettowert zu notieren: Brutto ist alles, was Richtung Tor gegangen ist und nicht drin war. Netto umfasst alle Bälle, die der Torwart berührt hat. Und dazwischen liegt meist die Wahrheit über die Torhüterleistung.

Als Beispiel: Ein Ball, der gegen den Pfosten geht, fällt in den Brutto-Wert rein, wird netto aber nicht berücksichtigt?

Genau. Ein anderes Beispiel: Der Außen springt rein und wirft den Ball einen halben Meter über das Tor. War der Torwart jetzt beteiligt, weil er den Winkel verkürzt hat oder nicht? In der einen Statistik taucht das als Parade auf, in der anderen nicht. Wenn ich jedoch mit Brutto- und Netto-Wert arbeite, wird es eingeordnet – und so kann man eine ganz gute Einschätzung in Bezug auf die Torwartleistung gewinnen.

Sich genau überlegen, welche Daten man braucht; gemeinsam mit der Mannschaft Definitionen entwickeln; die Erhebung der Statistiken und die Analyse der Videos: Das ist mit viel Aufwand verbunden. Worauf sollte man dabei achten?

Neben der bereits erwähnten Gefahr der Zeitverschwendung muss man sich immer die Frage stellen: Wie erreiche ich meinen Athleten? Wenn ich im mittleren Leistungsbereich unterwegs bin, kann es sein, dass ein Athlet kognitiv keinen Zugang zu der Analyse findet. Ich werfe ihm Zahlen um die Ohren, aber es überfordert ihn, weil er diese überhaupt nicht einordnen kann. Er braucht vielleicht eine emotionalere Ansprache, um zu verstehen, was man sagen will – also überspitzt formuliert: „Hör auf, mir die Spiele zu verlieren!“

Je weiter ich im Leistungsbereich runtergehe, desto heterogener sind die Fähigkeiten, die Zahlen zu verarbeiten. Wenn es mir nicht gelingt, ein Wörterbuch zu finden, um Verständnis zu schaffen, kann ich mir die Spielanalyse sparen und lieber eine halbe Stunde Beachhandball spielen gehen, davon profitiert dann jeder (lacht).

Das erinnert mich an die Trainer in der F-Jugend, die den Kindern auf einer Taktiktafel erklären wollen, was auf dem Spielfeld passiert …

Das ist ein guter Punkt – und dann machen wir das Fass jetzt noch auf: Es kommt nicht nur auf das Wording an, sondern generell auf die ‚Übersetzungsfähigkeiten“. Wenn ich in meiner Spielanalyse ein Video präsentiere, das von einer Führungskamera aufgenommen, ist, haben die Spieler in ihrem Kopf jedoch erst einmal eine ganz andere Perspektive von der Situation. Daher ist in diesem Moment – psychologisch gesprochen – eine mentale Rotation erforderlich. Sie müssen sich gedanklich aus dem Videobild auf das Spielfeld versetzen. Das kann für einige Spieler sehr schwierig sein.

Ich muss mir daher immer über die Perspektive Gedanken machen – übrigens auch bei der Taktiktafel. Wir haben im Basketball viele Untersuchungen gemacht und festgestellt: Wenn die Trainer das Taktikbrett falsch herum hält, gehen bis zu 25 Prozent der Informationen verloren – das würde heißen, dass mindestens ein Spieler in die falsche Richtung läuft! Daher empfiehlt es sich, die Spieler passend hinzustellen – also den Rückraumspieler von hinten auf den Angriff gucken zu lassen. So ist es für die Spieler einfacher, einen Bezug zu entwickeln.

Auch Videos aus der Vogelperspektive sind in einigen Hallen möglich und im Leistungsbereich gang und gäbe, aber um diese für sich zu übersetzen, ist ein hoher mentaler Rotationsaufwand beim Spieler erforderlich. Manche Menschen können das sehr gut, andere nicht – und das hat nichts mit guten oder schlechten Handballern zu tun, sondern einfach mit unseren grundlegenden kognitven Eigenschaften zur Orientierung und Navigation. Das muss mir als Trainer immer klar sein, wenn ich meine Spielanalyse möglichst gewinnbringend vermitteln will.