„Den Trainern eine Stimme geben“ – Interview mit Erik Wudtke

Jugend-Nationaltrainer des Deutschen Handballbundes und Co-Trainer der A-Nationalmannschaft der Männer: Erik Wudtke ist an den Seitenlinien dieser Handball-Welt zu Hause. Seit April gehört der 49-Jährige auch dem Vorstand der DHTV an. Im Interview spricht Wudtke, der die männliche U18-Nationalmannschaft in diesem Sommer zur EM-Bronzemedaille führte, über die Qualität des deutschen Nachwuchses und verrät, warum er sich in der DHTV engagiert.

Erik, wenn du auf den Sommer zurückblickst: Wie zufrieden bist du mit dem Ergebnis deiner Jugend-Nationalmannschaft? 

Wenn man eine Medaille mitnimmt, muss man zufrieden sein (schmunzelt). Es gibt da einen alten Spruch, der besagt: Man sollte das letzte Turnierspiel gewinnen. Das haben wir gemacht – auch, wenn manche Kritiker wohl sagen würden, dass es das falsche der beiden letzten Spiele war. Das Ergebnis ist natürlich dennoch in Ordnung, die Medaille ist ein Erfolg und war auch das Ziel der Mannschaft. Ich denke auch, dass wir uns die Medaille verdient haben. Allerdings sind Ergebnisse bei der Jugend nicht alles, sondern es geht auch um die Entwicklung – hier ist die Bilanz geteilt.

Womit bist du denn in Punkto Entwicklung zufrieden? 

Einige Spieler haben eine tolle Entwicklung genommen – gerade, was ihre Defensivleistung angeht. Sie haben gelernt, dass an einer Jugend-Europameisterschaft nur der Name Jugend ist – alles andere ist Männerhandball, was Intensität, Härte und Qualität angeht und das ist etwas ganz anderes als die Jugendbundesliga. Demzufolge haben einige Jungs wirklich große Schritte nach vorne gemacht, damit bin ich natürlich zufrieden.

Welche deiner Jungs sollten die Handballfans im Auge behalten? 

David More und Nils Greilich haben ein gutes Gespann auf Linksaußen gebildet, sie haben sich sehr, sehr gut ergänzt. David More ist der auffälligere Angreifer, Nils Greilich der – in Anführungsstrichen – unauffälligere Abwehrspieler, weil die meisten eben auf die Angriffsleistung schauen. Nils hat allerdings wirklich sehr gut verteidigt. In der zentralen Achse war die Leistung von Julian Buchele im Tor herausragend – ebenso wie Magnus Grupe in der Abwehr und Fritz Haake im Angriff. Sie haben mir wirklich Freude gemacht. Man darf auch Henri Pabst nicht vergessen, der weitestgehend alleine auf seiner Position gespielt hat.

Wie zufrieden bist du generell mit der Qualität im deutschen Nachwuchs? 

Letztes Jahr sind wir Jugend-Europameister geworden, dieses Jahr haben wir eine Bronzemedaille geholt und das EYOF gewonnen. Mit den Mannschaftsleistungen sind wir in der Weltspitze dabei. Was uns aber vielleicht fehlt, ist die Möglichkeit, dass die Spieler schnell nach der Jugendzeit den nächsten Schritt in den Erwachsenenbereich machen.

In Dänemark spielen 17-Jährige in der 1. Liga; das ist in der LIQUI MOLY HBL nicht drin? 

Drin wäre es schon, es passiert leider nicht. Wir haben ein paar exzellente und herausragende Nachwuchsathleten und ich würde mir wünschen, dass diese in der Woche so viel Training wie möglich mit dem besten Trainer des Vereins bekommen. Und wenn sich die Manager nicht total verhauen haben, ist das in der Regel der Trainer der ersten Männermannschaft (lacht).

Was versprichst du dir davon konkret?

Wenn die Spieler viel Trainingszeit mit dem besten Trainer des Vereins bekommen und mit den Spielern, die er trainiert, dann lernen sie unglaublich viel. Fritz Haake kann beispielsweise von Christian O’Sullivan, Gisli Kristjansson, Marko Bezjak oder Philipp Weber lernen, David More von Uwe Gensheimer und so weiter. Diese Gelegenheiten sind der Schlüssel, damit die Spieler so früh wie möglich an das Topniveau, was in der Bundesliga herrscht, herangeführt werden können. Sie müssen auch gar nicht dasselbe verdienen wie ein Bundesligaprofi, aber sie sollen so behandelt werden.

Für die gute Ausbildung von Talenten braucht es gute Trainer: Welche Schritte siehst du, um die Trainerqualität zu erhöhen? 

Ich denke, wir haben schon viele gute Schritte im Bereich der A-Lizenz-Ausbildung gemacht; da sind wir auf einem guten Weg. Auch die Leistungssportausbildung ist ein tolles Instrument und wir haben die B-Lizenz reformiert. Ich würde mir aber natürlich wünschen, dass wir die Trainer noch intensiver betreuen, die sich um die Ausbildung der besten Spieler, die wir in Deutschland haben, kümmern. Ich könnte mir gut vorstellen, dass das Entwickeln von Trainertalenten eine ähnlich spannende Aufgabe sein kann wie die Entwicklung von Spielertalenten. Nur muss man sich dieser Aufgabe eben voll und ganz widmen und für die Umsetzung Geld und Zeit in die Hand nehmen.

Wenn ein junger Trainer dieses Interview liest: Was kann er aktuell selbst machen, um besser zu werden? Denn die Möglichkeit einer A-Lizenz-Ausbildung besteht ja beispielsweise nicht für jeden. 

Ich kann nur empfehlen, so viel wie möglich mit anderen Trainern zu sprechen, Leistungszentren zu besuchen und dort zu hospitieren. Die Leistungszentren, die ich kenne – und ich kenne wahrscheinlich alle in Deutschland – würden nicht den Einlass verwehren, wenn jemand lernen will.

Habt den Mut, hinzugehen und mit den Leuten zu sprechen. Habt den Mut, euch Spiele anzuschauen und euch weiterzuentwickeln und weiterzubilden. Und habt den Mut, die Dinge, die ihr seht, mit eurer eigenen Mannschaft auszuprobieren – und euch weniger an den Ergebnissen zu orientieren, sondern an den Ideen, die ihr habt und an der Vorstellung, wie die Mannschaft spielen und wie sich die Spieler entwicklen sollen.

Zum Abschluss: Im April wurdest du in den Vorstand der DHTV gewählt. Warum hast du dich für das Engagement entschieden? 

Ich finde es sinnvoll, dass wir im Spitzensport unsere Netzwerke und unsere Kontakte nutzen, um das Wissen an alle Trainerkollegen weiterzugeben. Das ist unorganisiert allerdings schwierig machbar. Deswegen halte ich die DHTV für eine sinnvolle Plattform, um sich gegenseitig zu helfen und sich auszutauschen und für ein sinnvolles Netzwerk, um Trainer unabhängig von ihrem Leistungsniveau zusammenzubringen. Denn uns eint alle die Liebe zu diesem Sport.

Warum ist der Austausch in beide Richtungen aus deiner Sicht so wertvoll? 

Die größten Experten in dieser Sportart sind nicht die Spieler oder Schiedsrichter, sondern die Trainer. Sie beschäftigen sich sich mit großem Abstand am meisten mit dieser Sportart, doch es wird leider Gottes oft viel zu wenig auf die Trainer gehört. Um die Stimme der Trainer zu hören und ihnen zugleich eine Stimme zu geben, ist die DHTV eine tolle Gelegenheit.