Im Gespräch: Beachhandball-Nationaltrainer Alexander Novakovic

Europameister, Weltmeister und World-Games-Sieger mit der deutschen Frauen-Nationalmannschaft sowie mehrere Medaillen im Jugendbereich mit verschiedenen weiblichen Auswahlmannschaften des Deutschen Handballbundes: Die Erfolgsliste von Beachhandball-Bundestrainer Alexander Novakovic ist lang. Im Interview spricht der 39 Jahre alte Erfolgscoach über die Entwicklung des deutschen Beachhandballs und die Vorteile, welche die Sandvariante für die Halle mit sich bringt …

Der deutsche Beachhandball wächst seit einigen Jahren. Was bringt die Sandvariante auch für die Halle für Vorteile? Oder, anders gefragt: Was hat ein Trainer davon, wenn er mit seiner (Hallen-)Mannschaft im Sommer auch Beachhandball spielen geht?

Ich würde ganz klar sagen: Er selbst – und vor allem seine Spieler – haben ganz viel davon. Der Trainer hat auf jeden Fall eine Abwechslung in einer Saisonphase, in der gerade im Amateurbereich die Leistung in der Regel abfallend ist, weil man nicht mehr regelmäßig athletisch arbeitet.

Beim Beachhandball kann man seine Mannschaft mit viel Spaß fit halten – und sie dabei nicht nur leistungserhaltend, sondern auch leistungssteigernd betreuen. Das zeigen Studien von Beachhandballern, die wöchentlich im Sand trainieren und am Wochenende die Turniere der German Beach Open spielen. Kurz gesagt: Der Trainer kann seine Spieler durch Beachhandball fitter in die Saisonvorbereitung zurückbekommen.

Wenn man als Mannschaft keine Beachhandball-Ambitionen hat, aber einzelne Spieler mit einem Beach-Team an den German Beach Open – der deutschen Turnierserie – teilnehmen wollen: Inwiefern lohnt es sich auch individuell? 

Es bringt taktisch sehr viel. Im Beachhandball ist ständig Crunchtime; du hast als Spieler keine Zeit, durchzuatmen, sondern musst ständig Entscheidungen treffen. Die Handlungsschnelligkeit wird geschult, in der Unterzahl-Abwehr muss man sehr antizipativ denken. Und von der Bewegung auf Sand profitiert jeder Spieler athletisch.

Dennoch kam und kommt es immer wieder vor, dass Hallentrainer die Beachhandball-Ambitionen ihrer Spieler nicht gerne sehen … 

Das sind oft typische Narrative – da geht es um die vermeintliche Verletzungsgefahr oder die Angst, dass man bei der Abwehr in der Halle nicht mehr richtig zupackt. Da muss ich jetzt einmal ganz deutlich sagen: Wenn es im Oberliga- oder Landesligabereich immer noch Trainer gibt, die einen Spieler deswegen nicht Beachhandball spielen lassen wollen, bedeutet das für mich, dass dieser Trainer kein Wissen über Beachhandball hat. Es gibt natürlich auch im Beachhandball Turniere im reinen Spaßmodus – so wie viele Hallenhandballer im Sommer Rasenturniere spielen. Alle Turniere der German Beach Open haben jedoch etwas mit Leistung zu tun, denn jede Mannschaft will dort Punkte für die Deutsche Meisterschaft erlangen.

Sie haben eben Studien erwähnt, die gezeigt hätten, das Beachhandball nicht nur leistungserhaltend, sondern auch leistungssteigernd sein kann. Könnten Sie das etwas näher erläutern? 

Die Studienlage ist mit Blick auf die Phase zwischen den Spielzeiten gerade für Indoor-Trainer sehr interessant. Es gibt ab einem bestimmten Niveau häufig einen Laufplan für die Pause zwischen den Saisons, damit der Spieler einigermaßen fit zurück in die Saisonvorbereitung kommt. Ich würde jedoch schätzen, dass 60 oder 70 Prozent der Amateurspieler einen solchen Laufplan eher halbherzig verfolgen.

Wenn diese Spieler Beachhandball spielen, werden zusätzlich auch andere Muskelgruppen angesprochen, als man mit Waldläufen oder Hallentraining erreicht – gerade, was die Fähigkeiten für Sprünge und Schnelligkeitstraining betrifft. Deswegen ist mit Beachhandball nicht nur Leistungserhalt möglich, sondern sogar ein Leistungsplus. Die Spieler kommen so fitter zurück in die Halle und man kann mit der Vorbereitung von einem anderen Niveau starten.

Ebenso ist nachgewiesen, dass es zu einem Performance-Plus kommt, wenn man im letzten Dritten der Indoor-Saison sein Athletiktraining auf Sand ausführt. Denn auch dabei werden andere Muskelgruppen angesprochen, während die Muskelgruppen, die in der Halle trainiert werden, im Sand nicht weniger angesprochen werden. Es gibt daher aus meiner Sicht keine Nachteile und auch, wenn ich mich wiederhole: Jemand, der das sagt, hat keine Wissen über den Beachhandball-Sport?

Und die Verletzungsgefahr? 

Es gibt inzwischen weltweit Studien, die mehrfach belegt haben, dass das Verletzungsrisiko im Beachhandball um ein Vielfaches geringer ist als im Hallenhandball. Studien zeigen, dass die Quote von Verletzungen im Beachhandball, die den Wettkampf auch nur über wenige Tage verhindern, sehr gering ist. Aus persönlicher Erfahrung kann ich sagen: Ich bin seit 2015 beim DHB und habe in dieser Zeit – in acht Jahren – nur eine gravierende Verletzung erlebt, die zu einem Ausfall von zwei, drei Monaten geführt hat. Der Sand verzeiht alles.

In der Frauen-Nationalmannschaft, die Sie trainieren, haben sie inzwischen viele Spielerinnen aus dem Erst- und Zweitligabereich. Wie groß ist die Akzeptanz? 

Es gibt immer mehr Vereine, die den Beachhandball unterstützen. Dirk Leun, der seit vielen Jahren beim Buxtehuder SV ist, sagt beispielsweise, dass der Beachhandball bei der persönlichen Entwicklung und auch einigen Spielsituationen hilft. Der Beachhandball schafft schneller einen reiferen Spieler. Liv Süchting ist dafür das beste Beispiel, die viel in ihrer Spielerpersönlichkeit durch den Beachhandball erlangt hat und jetzt sogar auf der Ersatzliste von Bundestrainer Markus Gaugisch aufgetaucht ist.

Wie funktioniert das Zusammenspiel? 

Natürlich ist die Wirtschaftlichkeit im Vergleich zu einem Oberliga- oder Landesligaverein etwas anderes. Gerade Vereine, die einen engen Kader haben, können sich keinen Ausfall auch nur für wenige Tage wegen einer Prellung oder ähnlichem erlauben. Daher ist das Belastungsmanagement ein wichtiges Thema; gerade, wenn  Beachhandball-Maßnahmen während der Hallensaison anstehen, im Rahmen der National Team Week zum Beispiel. Wir sprechen dann sehr ehrlich und vertrauensvoll miteinander, welche Spielerinnen wir nominieren können und wie hoch die Belastung sein kann. Diesen Faktor muss man beachten; ansonsten hat der Beachhandball aber auch für Spielerinnen auf diesem hohen Niveau nur Vorteile.

Wenn Trainer den Beachhandball ausschließlich in der Sauf- und Partyvariante kennen: Wie können sich Coaches in Punkto Beachhandball fortbilden, um die Sportart kennenzulernen? 

Der erste – und wichtigste – Schritt wäre, dass der Trainer für sich feststellt, dass sich der Beachhandball verändert und weiterentwickelt hat. Es ist eben kein reiner Partysport, sondern eine leistungsorientierte Sportart, die zu den Olympischen Spielen will. Wer sich angucken möchte, wie leistungsorientierter Beachhandball in Deutschland aussieht, ist herzlich bei dem diesjährigen Finalturnier um die Deutschen Meisterschaft willkommen. Es findet am letzten Juli-Wochenende in Cuxhaven statt, der Eintritt ist frei. Letztes Jahr waren die Ränge im Stadion am Meer am Finaltag vollbesetzt.

Und wie sieht es mit einer fachlichen Aus- und Fortbildung aus? 

Inzwischen gibt es viele Plattformen. Der Deutsche Handballbund hat in seiner Online-Akademie zwei Lehrgänge aufgelegt, auf den Leveln Beginner und Advanced, die das erste Rüstzeug vermitteln. Es gibt auch einen Youtube-Channel der EHF mit Lehrvideos zum leistungsorientierten Beachhandball.

Auch in Präsenz gibt es Angebote: Der DHB bietet eine Beachhandball-Trainerausbildung an; aktuell allerdings noch nicht jährlich. In den Landesverbänden, wo der Bachhandball verankert ist – Baden-Württemberg, Niedersachen, Bayern, um drei Beispiele zu nennen – gibt es zusätzlich jährliche Fortbildungen, die teilweise auch zur Verlängerung der Trainerlizenz anerkannt werden.

Zum Abschluss: Könnten Sie einmal umreißen, welche Entwicklung der deutsche Beachhandball in den vergangenen Jahren genommen hat? 

Die Entwicklung der Nationalmannschaften ist fantastisch. Wir sind bei den Frauen letztes Jahr die weltbeste Mannschaft geworden, haben die Weltmeisterschaft und die World Games gewonnen. 2021 sind wir mit den Frauen Europameister geworden. Drei Jahre zuvor hat unsere männliche U18-Nationalmannschaft den EM-Titel geholt. Zusätzlich zu den Titeln haben wir mit den Nachwuchsmannschaften verschiedene Medaillen eingeheimst.

Und auf nationaler Ebene? 

Dem Beachhandball ist der Schritt raus aus der Partyecke hin zu einem sportlich attraktiven Wettkampf gelungen. Er ist inzwischen bereit für eine Vermarktung; das ist der nächste große Schritt. Gerade die Deutschen Meisterschaften in Cuxhaven und die drei großen deutsche Turniere der German Beach Open in Kelkheim, Ismaning und Damp haben das Interesse geweckt. Denn die Mannschaftszahlen bei der GBO, der Qualifikationsserie für die Deutschen Meisterschaften, sind zuletzt Jahr für Jahr gewachsen. Früher gab es acht Teams, das hat sich inzwischen vervielfacht. Gerade im Männerbereich sind die Zahlen gewachsen, aber auch bei den Frauen werden es immer mehr. Und auch die Deutschen Jugend-Meisterschaften sind gewachsen; es gibt immer mehr Jugendteams, die einen qualitativ besseren Beachhandball spielen.

Wenn jetzt jemand Lust auf Beachhandball bekommen hat und mit seinem Team auch bei den German Beach Open mitspielen will: Was gibt es zu beachten? 

Die Turniere der German Beach Open sind in Supercups und Beachcups unterteilt; bei den Beachcups ist der Einstieg ohne große Vorkenntnisse noch etwas einfacher als bei den großen Turnieren. Da Beachhandball ein körperloser Sport ist, kann man auch mit einer A- oder B-Jugend bereits ein Männer- oder Frauenturnier ohne Bedenken spielen. Die Einstiegshürde ist also extrem gering. Ich kann nur sagen: Nutzt den Sommer, meldet euch einfach bei einem Turnier an und spielt mit!